Süddeutsche Zeitung

Urlaubskasse:Prassen unter Palmen

Lesezeit: 4 min

Menschen neigen dazu, im Urlaub mehr Geld auszugeben als im Alltag. Wieso eigentlich? Drei Erfahrungen.

Von Lea Hampel, Felicitas Wilke und Vivien Timmler

Um zu veranschaulichen, wie es mit dem Geldausgeben im Urlaub läuft, bittet Martin Lohmann darum, sich gedanklich in einen Pool im Wellnesshotel zu versetzen. "Stellen Sie sich vor, Sie schwimmen zur Poolbar, wo ein Orangensaft für 4,50 Euro angeboten wird", sagt der Wirtschaftspsychologe. "Im Supermarkt zu Hause würden Sie zu diesem Preis nie einen Saft kaufen, aber im Urlaub tun Sie es."

An sich selbst, an Freunden oder an der Familie lässt sich jedes Jahr feststellen, dass das Geld im Urlaub irgendwie schneller verschwindet als im Alltag. Hier noch ein Eis an der Uferpromenade, dort noch ein Souvenir aus dem Museumsshop. Gefühlt wird in Palma oder an der Algarve aus jedem Geizkragen ein Prasser auf Zeit. Es gibt zwar keine konkreten Zahlen, die belegen, dass Menschen im Urlaub finanziell in die Vollen gehen. Doch den Eindruck teilt Lohmann, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Leuphana Universität Lüneburg. "Es ist ja eigentlich auch logisch", findet er. "Wenn ich schon mal da bin und viel Geld für den Transport und die Unterkunft bezahlt habe, dann will ich auch vor Ort nicht knausern."

Mehr als 50 Millionen Deutsche fahren Jahr für Jahr in den Urlaub. Für Lohmann verhalten sich die meisten dabei "qualitätsorientiert". Das heißt: Preisvergleich ja, Geiz nein. Der günstigere Flug dürfe es gerne sein, das billigste Hotel lieber nicht. Doch woran liegt es, dass Menschen im Urlaub für kleine Dinge irrational viel Geld ausgeben und den Saft für 4,50 Euro schlürfen? "Dafür sind Einflüsse von innen und von außen verantwortlich", sagt der Psychologe. Zum einen sei der Urlaub für viele die Zeit, in der man das Gefühl hat, man wolle und dürfe sich etwas gönnen. Zum anderen trage auch das angenehme Umfeld mit Sommer, Sonne und Strand zur Spendierlaune bei.

Wer sich wohlfühlt, gibt gerne ein bisschen mehr aus, um das Glück perfekt zu machen. Darüber hinaus haben Forscher der Wirtschaftshochschule INSEAD im französischen Fontainebleau vor einigen Jahren herausgefunden, dass Reisende großzügiger sind, wenn sie hohe Summen im Portemonnaie mit sich herumtragen. Das passiert insbesondere dann, wenn auf fremden Geldscheinen sehr große Zahlen stehen - wie zum Beispiel in Vietnam oder Thailand.

Geht es nach Lohmann, dann dürfen Menschen in den Ferien ruhig ein bisschen großzügiger sein als sonst. "Übertriebene Vorsicht schadet dem Urlaub", sagt er. Die Erkenntnis, dass man doch etwas zu spendabel mit sich selbst war, komme im Fall der Fälle meist von selbst, nämlich dann, wenn das Loch in der Urlaubskasse größer wird. Drei Erfahrungen mit dem lieben Geld in einer fremden Welt:

Und irgendwann waren da nur noch Nullen. Mal eine, mal viele - ob ein bisschen Mango am Straßenrand oder die zweistündige Massage, irgendwie kostete alles viel und wenig zu gleich, so das Fazit der ersten Urlaubstage in Thailand: viele Bath, wenige Euros. So wenige, dass schon am dritten Tag die komplizierte Umrechnung im Hirn durch ein "wird schon passen" ersetzt wurde.

Und so begann der Konsumrausch: Immer gab es irgendwo einen Shake zu trinken, eine kurze Taxifahrt zu absolvieren, ein Souvenir (Ananas-Lampions!) zu erwerben. Gelegentlich kroch im Hinterkopf der Gedanke hervor: Was, wenn sich das doch alles summiert? Was, wenn am Ende das Konto leer ist und man im Dschungel steht und zu wenig Geld hat, um zum Flughafen zu kommen? Und wie das so ist im Leben: Je mehr man sich ein Horrorszenario ausmalt, desto wahrscheinlicher tritt es ein.

Der Ruin kam, und das tatsächlich im Dschungel. Aber nicht, weil das Geld nicht reichte. Sondern weil von den drei Geldautomaten im Kaff zwei nicht gingen und der dritte leer geplündert war von Touristen im Kaufwahn. Übrig waren stattdessen noch umgerechnet acht Euro, zu bezahlen galt es die Wäsche aus der Reinigung, zwei Abendessen und die Busfahrt am nächsten Morgen. Wie gut nur, dass alles so günstig ist: Es ist schon wert, eine Portion Gemüse mit Reis zu teilen, wenn man dafür die saubere Wäsche zurückbekommt, und ein Abend mit nur einem Bier geht auch. Danach wurden die Nullen auch wieder etwas genauer gezählt.

Was den Konsum betrifft, beschreiben etwa vier Phasen einen Urlaub in Dänemark. Die erste: das Entsetzen. Nimmt man im Café in Kopenhagen einen Burger und eine Cola zu sich, kostet das gut und gerne 190 dänische Kronen. Für Reisende aus Euro-Ländern sieht die dreistellige Zahl nach schrecklich viel Geld aus. Der Blick in den Handy-Taschenrechner verrät, dass die Realität nicht viel schöner ist. Durch 7,4 geteilt, kostet das Abendessen immer noch gut 25 Euro. Erfahrungen wie diese markieren den Übergang zu Phase zwei: das Sich-selbst-Belügen. Im Kopf umzurechnen, ist anstrengend, und die teure Realität nervt ohnehin. Wieso nicht einfach großzügig runden und durch zehn dividieren? Der Cappuccino für 4,60 Euro wird auf diese Weise mit 3,40 Euro gleich erschwinglicher.

Das dahinschmelzende Urlaubsbudget nötigt Urlauber schließlich, in die dritte Phase überzugehen: die Buchführung. Zählt man abends die Kosten des Tages zusammen, zeigt sich, welche Ausgaben besonders ins Geld gegangen sind. In Dänemark und anderen skandinavischen Ländern gilt das für Alkohol, aber auch Softdrinks und Restaurants im Allgemeinen. Für alle, die im Ferienhaus ab und zu selbst zum Kochlöffel greifen und dabei Kronen sparen, kann die vierte und schönste Phase des Urlaubs beginnen: Dänemark genießen.

Eine Seefahrt, die ist lustig, eine Seefahrt, die ist schön. Also rauf auf den Urlaubsdampfer und einmal rum um die arabische Halbinsel. Über Bargeld muss sich niemand Gedanken machen, die Reise ist sowieso im Voraus bezahlt - aber da sind ja noch die Tagesausflüge. Erster Stopp: Jemen. Am Wechselschalter gibt es für ein paar Hundert Euro so viele Rial, dass sie prompt die Geldbörse sprengen. Eine neue muss her, zumindest für diesen Urlaub. 11 000 Rial soll sie kosten, ganz schön viel. Durch 277 geteilt, den jemenitischen Umrechnungskurs, relativiert sich das wieder. Die folgenden Stunden wird gekauft bis zum Umfallen, die Dinge kosten ja irgendwie alles und nichts. Am nächsten Tag geht es weiter nach Oman. Der Gang zum Wechselschalter macht mittellos. Für 100 läppische Jemen-Rial gibt es nur 0,15 Omani-Rial. Adieu, schöne Banknoten. Der Konsumrausch ist schlagartig vorbei.

Also weiter nach Dubai. Die Arabischen Emirate haben sich immerhin auf eine Währung einigen können, den Dirham. Und endlich steht auf den Scheinen auch wieder ein höherer Wert, etwa der zehnfache. Wie viel Euro das entspricht, ist längst vergessen.

Die maximale Verwirrung bringt schließlich die Reise nach Bahrain. Plötzlich kostet alles wieder gefühlt nichts, die Brieftasche ist mit Mini-Scheinchen gefüllt. Der Euro-Wechselkurs ist fast der gleiche wie zum Omani-Rial, aber der Stopp in Dubai hat jegliches Gefühl dafür zunichte gemacht. Ein Glück, dass es anschließend nicht auch noch nach Iran geht. Ein Euro entspricht dort 34 000 Iran-Rial - und das will nun wirklich niemand mehr umrechnen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3080400
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 16.07.2016
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.