Süddeutsche Zeitung

Streit um "Boxhotel":Fenster im Hotel? Überflüssig

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Die Stadt Hannover fühlt sich unwohl mit einem Hotel, dessen Zimmer wirklich gar keine Aussicht bieten - und untersagt zu lange Aufenthalte.

Von Peter Burghardt

Es gibt ja Hotels mit fabelhafter Aussicht und verschwenderischem Angebot: Panoramafenster, Kingsize-Bett, Spa. In anderen Unterkünften muss man sich dagegen mit Hinterhofblick und Stockbetten zufriedengeben. Eine neue Hotelkette zeigt, dass es noch minimalistischer geht - hier hat man sich die Fenster für die Gäste komplett gespart. Zu minimalistisch, wenn es nach der Stadt Hannover geht.

Boxhotel heißt die Herberge, sie zeichnet sich durch dreierlei aus: Erstens sind die Zimmer sagenhaft billig, die Nacht in der Single Box ist pro Person ab 24,99 Euro zu bekommen. Zweitens sind die Zimmer von überschaubarer Größe, die Single Box misst vier Quadratmeter, aber mit Treppe und zwei Geschossen. Waschbecken drinnen, Gemeinschaftsbad draußen, in der Kategorie Standard Box Dusche drinnen.

Der Kamin: eine Posterwand

Drittens sind die Zimmer fensterlos, an deren Platz sind Fototapeten. Auch die Kaminecke in der Lobby ist eine Posterwand. Die Tür wird mit dem Smartphone geöffnet.

Beim Boxhotel in Hannover sind die vorhandenen Fenster bunt.

Die Fenster erhellen nur den Gang - die kleinen Räume auf der anderen Flurseite müssen ohne auskommen.

Als Ersatz für die fehlenden Fenster zeigen Fotos, wie es draußen nicht aussieht - in diesem Fall wohl eher zum Glück, baumeln die Beine doch über einer Häuserschlucht.

Auch in dem kleinen Raum geht es steil in die Höhe. Erfunden hat das fensterlose Boxhotel Oliver Blume.

Ein Lageplan zeigt die mehr als hundert "Boxen" des Hotels in Hannover - falls man sein Zimmer nicht wiederfindet.

In Göttingen ist so ein Boxhotel schon seit 2017 in Betrieb - in Leipzig, Hamburg und Bremen sollen weitere Filialen entstehen. Nirgendwo hatte ihr Erfinder Oliver Blume mit der Genehmigung Probleme. In seiner Heimat Hannover dagegen erklärte die Bauaufsicht, dass Niedersachsens Bauordnung "für Aufenthaltsräume eine Belichtung mit Tageslicht" vorsehe.

Dabei gehe es "nicht nur um Gesundheitsgefahren, sondern auch um das physische und psychische Wohlbefinden der Nutzer", wie eine Sprecherin mitteilt. Hannovers Verwaltungsgericht widersprach und erlaubte Blume trotzdem, ein ehemaliges Labor im Zentrum in ein Boxhotel zu verwandeln. Im November 2019 wurde es eröffnet.

Der Zwist allerdings geht weiter, er dreht sich nun um diese Frage: Wie lange dürfen Gäste in Schlafboxen nächtigen? Maximal drei Tage, lautet eine Auflage der Stadt - aus gesundheitlichen Gründen.

Blume sieht sich als Minimalist und Zukunftsforscher mit "disruptiven unternehmerischen Ideen". Er hat eine Billigapothekenkette gegründet, und er sagt, es habe ihn geärgert, wenn er nach langen Tagen einfach nur tief schlafen wollte, statt Sportraum oder Bar zu nutzen, und trotzdem Fünf-Sterne-Preise zahlen musste. So kam er auf die Schlafboxen, eine Art deutscher Antwort auf Japans Kapselzimmer. Der Hotelier setzt auf die Ära Flixbus und Tiny Houses. Kleiner Preis für das Nötigste.

Er ließ getestete Matratzen einbauen und eine Belüftungsanlage. Schlafforscher hätten ihm berichtet, dass "das Höhlenartige" den Schlaf fördere. Fenster hält er für "obsolet". Wegen des Lärms und der Emissionen.

Was sind die Erfahrungen? "Super modern und sehr bequem", liest man in Bewertungen oder "fast wie eine Koje" oder: "Es gibt keine Fenster. Daher ist die Luft nachts sehr abgestanden." Die meisten Boxenschläfer klingen psychisch stabil, für Dauerurlauber ist das Quartier nicht gedacht.

Im Schnitt blieben die Kunden ein bis zwei Nächte, so Blume, darunter seien Studenten, Messeleute, Konzertbesucher, übermüdete Reisende. Doch nun sind wieder die Richter am Zug: Denn Blume will gegen die Begrenzung der Aufenthaltsdauer vorgehen. "Lächerlich", sagt er, "die werden keine Chance haben."

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SZ vom 29.01.2020
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