Hotel W Amsterdam:Über den Dächern von Amsterdam
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Das Hotel W Amsterdam hat sich in einer alten Bank und im ehemaligen Telegrafenamt einquartiert. Jetzt wird Party gemacht - mit überwältigender Aussicht.
Vorsicht, wenn man hier aus dem Haus und über die Straße geht! Sofort kommen die Radfahrer. Und Radfahrer, so warnt schon am Flughafen der Chauffeur der Limousine, die das Hotel schickt, haben in dieser Stadt immer Vorrang. Hinter ihnen rangieren die Fußgänger, dann erst kommen die Autos. Jan Peter Wingender, Architekt und Amsterdamer, wird die Trias später ergänzen um einen nicht ganz unwichtigen Punkt. Wenn man als Radfahrer durch Amsterdam kurvt, was schön ist, weil man sich immer im Recht weiß und dadurch irgendwie mächtig fühlt, sollte man im Auge behalten, dass es eine noch Stärkere gibt: die Trambahn.
Die Spuistraat, die man nun also tunlichst nach links und nach rechts und wieder nach links blickend überquert, ist eine schmale, aber durchaus befahrene Straße. Was sich aus ihrer Lage im absoluten Stadtzentrum erklärt. Zudem fühlten sich hier bis vor noch nicht allzu langer Zeit die Autofahrer freier als im Rest der Stadt.
Denn die Straße war in Teilen, nachts zumindest, kein Areal, in dem Fußgänger und Radfahrer gerne unterwegs waren - das Rotlichtviertel in der Nähe, leer stehende Gebäude, Teile der Straße gehörten den Krakers, wie die Amsterdamer ihre Hausbesetzer nennen. Die wurden lange geduldet, dann aber von der Stadt vertrieben, sogar mit Wasserwerfern. Berühmt wurde in der Straße das Slangenpand, ein Haus mit Schlangenmotiv an der Front.
Heute sind die Graffiti hier weitgehend verschwunden, die Autonomen haben nicht mehr viele Rückzugsmöglichkeiten: eine vegane Bäckerei, ein Treffpunkt, der Flüchtlinge willkommen heißt und wo das Bier erfreuliche 1,60 Euro kostet. "No photos, no assholes" steht über dem Tresen. Wirkt nicht so, als ob man hier großen Wert auf Nachbarn legt, die mal eben ein paar Hundert Euro für eine Nacht zahlen. Ohne Frühstück.
Im W Amsterdam gönnt sich die Kundschaft genau das. Das Hotel, das vor allem jungen Gästen ein "szeniges Lifestyle-Erlebnis" bieten möchte, besteht aus zwei Gebäuden. Beide haben in der Geschichte der Stadt eine Rolle gespielt. Der mit Ziegelsteinen verkleidete Betonkasten auf der einen Seite der Spuistraat war von 1925 an Sitz des Fernmeldeamtes der Stadt. Das andere Gebäude gehörte der KAS-Bank und wurde zwischen 1906 und 1908 erbaut. "Zu einer Zeit", wie der mit dem Umbau betraute Architekt Wingender sagt, "in der das Selbstbewusstsein des Staates wuchs" - eines Staates, der den Ersten Weltkrieg relativ unbeschadet überstand; die Niederlande waren neutral. Und so konnte man bauen in jenen Jahren: prachtvoll, modern.
Geklotzt haben vor allem die Herren der Bank. Wer hier sein Geld oder Gemälde oder sonstige Wertgegenstände abgeben wollte, musste erst mal eine breite Treppe hinauf, um dann in einem von einer Glaskuppel überwölbten Belle-Époque-Empfangsraum zu landen. Die Tresore lagen im Untergeschoss des mit Sandstein verkleideten Gebäudes. Die Bank hat 2012 ihre Filiale aufgegeben und will jetzt weiter an den Stadtrand ziehen, damit die Geschäftskunden sich nicht mehr durch die autounfreundliche Stadt mühen müssen.
Oben der Pool, unten die Coffeeshops - so lässt sich die Stadt aushalten
Das Fernmeldeamt wiederum entwarf der niederländische Architekt Joseph Crouwel im Stil der Frühen Moderne. Nach einem USA-Aufenthalt ließ sich Crouwel vom Larkin Building in New York inspirieren, dem von Frank Lloyd Wright erschaffenen, monumentalen Verwaltungsgebäude einer Seifenfirma. Die alten Amsterdamer, gewöhnt an schnuckelige Bürgerhäuser, müssen den Neubau als Fremdkörper empfunden haben - ein Klotz, konkurrierend mit den gegenüberliegenden Prestigebauten, der Königlichen Residenz und der Nieuwe Kerk, der Krönungskirche der niederländischen Monarchen. Beide Hotelgebäude haben heute Denkmalschutzstatus: Das Telegrafenamt ist Gemeindemonument, die Bank (noch gewichtiger) Reichsmonument, was den Umbau nicht kostengünstiger ausfallen ließ.
Und jetzt? Wird hier Party gemacht! Aufs Dach des Telegrafenamtes haben sie eine Bar gesetzt. Und ein Restaurant. Und einen Pool, der im Winter beheizt wird, den zu nutzen man sich aber selbst im Sommer überwinden müsste - es gibt keine Umkleidemöglichkeit. Man kann sich allerdings mit einem Gin Tonic an den Beckenrand setzen, auch schön. Und die Aussicht ist überwältigend. Der Palast, die Dächer Amsterdams. Und unten die netten Coffeeshops, die einen jedes Mal, wenn man vorbeiradelt, mit ihrem betörenden Geruch fast aus dem Sattel werfen.
Bis dato habe es in der Stadt keine Rooftop-Szene gegeben, sagt der Manager des W, Igor Buercher. Also hat man eine geschaffen. Für die Gäste, aber auch für die Amsterdamer, die das Angebot sehr zu schätzen wüssten, wie Buercher versichert. Jetzt im März soll im Untergeschoss auch noch ein Nachtclub eröffnen. Dann kann der Jetset, können die Kinder der Reichen aus China und Russland und Israel, hier die Nacht durchtanzen. Und dann tagsüber chillen im Spa, das hinter den wuchtigen Tresortüren im Keller der "Bank" liegt, wie der eine Hoteltrakt sinnigerweise heißt. Und dann wieder abfeiern im Telegrafenamt, das jetzt "Exchange" heißt, weil man hier ja nach wie vor Kontakte knüpfen können soll.
Auf den Zimmern und in den Gängen finden sich weitere Anspielungen auf die Geschichte der Gebäude - die Minibar als goldfarbener Tresor in der "Bank", Deckenlampen, die den Kabelschächten im Telegrafenamt nachempfunden sind. Raus aus dem Gebäude muss man eigentlich nur, wenn man von der "Bank" zum "Exchange" wechseln will, über besagte Straße. Shoppen können die Gäste im Designer-Store in der "Bank", um dann wieder zu chillen vor dem Kamin in der Bar auf dem Dach des "Exchange".
Wer sich dann immer noch ermattet fühlt, kann sich eine Anti-Aging-Augenkur gönnen. Das Pflegeprodukt, das mit dem Versprechen auf "einen strahlenden Blick" beworben wird, enthält, dem Ort angemessen, pulverisierte Diamanten.
Die Übernachtung im W Amsterdam kostet im DZ für zwei Personen ohne Frühstück ab 350 Euro, www.wamsterdam.com