Arbeitnehmer

Die sieben Todsünden beim Gehaltverhandeln

Gegen den Chef in den Krieg ziehen? Hm, vermutlich keine so gute Idee. Diese sieben Fehler sollte man beim Gehaltverhandeln dringend vermeiden.

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Die sieben Todsünden beim Gehaltverhandeln

Gegen den Chef in den Krieg ziehen? Hm, vermutlich keine so gute Idee. Diese sieben Fehler sollte man beim Gehaltverhandeln dringend vermeiden.

Von Benjamin Emonts; Illustrationen: Jessy Asmus
10. Mai 2023 - 7 Min. Lesezeit

Beim Gehaltverhandeln geht es um bares Geld, und trotzdem bereiten sich viele Angestellte nicht richtig darauf vor. Eine Anleitung, wie man es besser machen kann – und welche Fehler sonst noch beim Verhandeln drohen.

1. Keine Initiative ergreifen

Viele Angestellte befürchten, sich mit einer Gehaltsforderung bei ihren Vorgesetzten unbeliebt zu machen oder danach schlechter behandelt zu werden als davor. Diese Ängste aber sind in der Regel unbegründet, sagt Ljubow Strobel. „Wer eine gute Leistung bringt, dem steht eine angemessene Vergütung zu. Das weiß auch der Arbeitgeber“, sagt sie. Häufig zeige sich gar das Gegenteil: „Wenn du proaktiv und gut vorbereitet für dich einstehst, kann das die Vorgesetzten ermutigen, dir mehr Verantwortung zu geben.“ Strobel hat die Online-Community frauverhandelt.de gegründet und schon mehr als 1000 Frauen bei Gehaltsgesprächen unterstützt.

Ein anderer, häufiger Fehler: Darauf hoffen, dass die Vorgesetzten aus Eigeninitiative mehr Geld bieten. „Wenn du nicht forderst und sagst, dass du mehr Gehalt verdienst, denkt die Person, dass du zufrieden bist, und sieht keinen Bedarf“, sagt Strobel. Auch von langem Abwarten hält sie nichts. „Es gibt kein Gesetz, das besagt, dass du erst nach x Jahren im Unternehmen oder im Jahresgespräch nach mehr Gehalt fragen kannst. Immer, wenn du das Gefühl hast, einen guten Anlass zu haben, kannst du selbst die Initiative ergreifen.“ Ein solcher Anlass könne beispielsweise ein erfolgreich abgeschlossenes Projekt sein, eine Kosteneinsparung oder eine Umsatzsteigerung, die auf die eigene Arbeit zurückzuführen sind.

Der Buchautor und Karriereberater Martin Wehrle empfiehlt, möglichst antizyklisch zu verhandeln, also besser im Frühjahr oder Sommer als am Jahresende. „Viele machen den Fehler, dann zu verhandeln, wenn es alle tun. Aber der Gehaltsetat ist wie ein Kuchen: Wenn zu viele Hände zur gleichen Zeit danach greifen, werden die Stücke kleiner“, sagt Wehrle. Seiner Erfahrung nach sind Vorgesetzte oft sogar froh, wenn Angestellte ihre Bedürfnisse offen kommunizieren. „Viele Führungskräfte ärgern sich, wenn der Mitarbeiter eines Tages kündigt und sagt, es habe am Gehalt gelegen. Dann lautet die Antwort fast immer: ,Warum haben Sie denn nichts gesagt?‘“

2. Blauäugig rangehen

„Kein Mensch würde einen Marathon angehen, ohne vorher zu trainieren. Bei Gehaltsverhandlungen denken viele Leute, das läuft von allein“, beklagt die Coachin und Karriereberaterin Claudia Kimich. Knapp ein Drittel ihrer Klientinnen und Klienten komme zu ihr, nachdem sie das erste Gehaltsgespräch mangels Vorbereitung bereits „versemmelt“ hätten. Das Problem: Häufig können Angestellte nicht genau sagen, was sie leisten, aber hoffen darauf, dass ihr Chef darüber Bescheid weiß. „Das ist ein Märchen. Gehaltsverhandlungen sind vorab harte Arbeit. Ich muss mir klarmachen, was ich kann und was ich will. Und das dann auch darstellen können“, sagt Kimich.

Sie empfiehlt daher, schon während des Jahres fortlaufend zu dokumentieren, an welchen Projekten man arbeitet, welchen Anteil man daran hat und wieso das Unternehmen einen braucht. Um nichts zu vergessen, könnten Angestellte beispielsweise ein „Erfolgstagebuch“ führen, empfiehlt Strobel. Den Vorgesetzten sollte man die eigenen Erfolge beim Verhandeln zudem möglichst anschaulich vorstellen, etwa mit Flyern oder einer Präsentation.

Das Gehaltsgespräch selbst darf man ruhig einige Stunden proben. Strobel rät, einen Gesprächsleitfaden ähnlich wie eine Theaterinszenierung zu entwickeln. „Man bereitet sich auf alle schwierigen Situationen konkret vor und überlegt sich Antworten für verschiedene Szenarien.“ Am Tag vor der Verhandlung spielt man das Gespräch mit einer vertrauten, aber kritischen Person durch. Nützlich ist auch, sich über die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens schlauzumachen. Laufen die Firmengeschäfte gut, kann man seine Gehaltsforderungen damit untermauern.

3. An sich zweifeln

Ein gesundes Selbstbewusstsein, bitte keine Überheblichkeit, ist entscheidend beim Verhandeln – doch genau daran mangelt es vielen Menschen. Besonders Frauen haben Strobel zufolge oft Zweifel, mehr Gehalt auch wirklich zu verdienen.

Das nötige Selbstvertrauen holt man sich am besten über Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen. Man spricht dafür am besten mit jenen, die einen schätzen und die eigenen Stärken kennen. Schon allein das Wissen um die eigenen Fähigkeiten lässt die meisten Menschen selbstbewusster und lockerer verhandeln. Puschen kann man das Selbstvertrauen noch, indem man zum Beispiel mit Headhuntern spricht oder andere Angebote einholt. Außerdem, sagt Kimich, sollte man sich Lob von Chefs und Kolleginnen stets aufschreiben und vor der Verhandlung noch mal lesen. Auch das stärkt das Selbstwertgefühl.

Fehlendes Selbstvertrauen verraten viele auch durch ihre Sprache. Unbedingt vermeiden sollte man laut Kimich Wörter wie „vielleicht“ und „eigentlich“ sowie alle Formen des Konjunktivs, also jedes „hätte“, „würde“ oder „könnte“, weil man damit Unsicherheit suggeriert. Auch Karriereberater Wehrle rät dringend dazu, klar und beherzt mehr Gehalt zu fordern. Sätze wie „Es wäre schön, wenn ich mehr Gehalt bekommen könnte“ sind demnach ein No-Go. „Wer so spricht, formuliert eine vorsichtige Bitte. Und die wird meist abgelehnt.“

4. Zu wenig fordern

Einfach mal abwarten, was dir das Gegenüber für einen Geldbetrag vorschlägt? „Das ist eine ganz schlechte Idee“, sagt Ljubow Strobel. Sie rät vielmehr dazu, vor der Verhandlung über Fach- und Berufsverbände oder Plattformen wie Lohnspiegel.de den eigenen Marktwert zu eruieren. Auch erfahrene Kollegen können bei der Einschätzung helfen. Nur so lässt sich das Angebot der Vorgesetzten richtig einschätzen und die eigene Forderung taxieren.

Bei der konkreten Ausgestaltung der Forderung sollte man keinesfalls zu tief stapeln, rät Wehrle. „Das fordern, was man haben möchte? Dann bekommt man immer nur eines: weniger“, sagt er. Wehrles Empfehlung: „Die Forderung höher ansetzen und Verhandlungsspielraum schaffen. Wer 250 fordert, bekommt eher 150. Aber wer 450 fordert, landet bei 300.“

Strobel plädiert dafür, stets die Differenz zwischen der aktuellen Bezahlung und dem Marktwert zu verhandeln – „das können auch mal 30 Prozent sein“. Ihrer Taktik zufolge legt man sich am besten eine Mindestgrenze zurecht, unter der man auf keinen Fall arbeiten will, eine „Juhu-Zahl“, die der Obergrenze des Marktwerts entspricht, und einen Wert dazwischen, auf den man sich einigen könnte. Mit der „Juhu-Zahl“ eröffnet man die Verhandlung.

Claudia Kimich ermuntert speziell Angestellte aus Branchen mit Arbeitskräftemangel, ihre Verhandlungen mit einer höheren Gehaltsforderung als üblich zu eröffnen. Auf die gängigen zehn bis 15 Prozent mehr Gehalt könnten sie ein paar Prozentpunkte draufschlagen, findet sie. Und beim Geld muss das Verhandeln keineswegs aufhören. Angestellte können sich weitere Vorteile sichern, etwa einen Firmenwagen oder eine Fahrkarte für den ÖPNV. Viele Unternehmen bieten heute zudem mobiles Arbeiten, individuelle Arbeitszeiten und großzügige Home-Office-Regelungen an. All das kann man in die Verhandlungen einbringen.

5. Die Inflation vorschieben

Man hat gerade ein Haus gekauft? Oder die Familie ist um ein Baby reicher? All solche Gründe sollte man bei der Gehaltsverhandlung besser nicht vorbringen, warnen Experten. Die Mitleidsschiene zieht äußerst selten, hingegen kann der Eindruck entstehen, dass man nicht richtig mit seinem Geld haushalten kann.

Die Inflation oder steigende Mietkosten sind als Argument ebenfalls keine gute Idee. „Auch für die Firma wird alles teurer, also hebt sich das Argument auf“, sagt Martin Wehrle. Vom Argument, dass andere Kollegen in gleicher Position mehr verdienen, rät Verhandlungsexpertin Kimich ebenfalls ab. „Der Deal lautet: Leistung gegen Geld. Alles andere sollte man ausblenden. Man darf auf keinen Fall andere schlechtmachen.“ Stattdessen sollte man stets mit den eigenen Erfolgen argumentieren.

6. In den Krieg ziehen

Ein üblicher Fehler ist Kimich zufolge, dass Arbeitnehmende ihre Gehaltsverhandlung als etwas Unangenehmes, als eine Art Krieg empfinden, anstatt positiv zu denken. „Mit diesem Mindset ruft man keine positiven Reaktionen hervor“, warnt Kimich. Ihre Alternative: „Man malt sich vorher so detailliert wie möglich aus, wie das Gespräch positiv verlaufen könnte. Man denkt sich: Er wird meine Leistung einschätzen und honorieren.“ Hilfreich könne sein, sich vorab einige „charmante, humorvolle Antworten“ zu überlegen, „die das Eis brechen können“. Statt Vorwürfen und cholerischen Anfällen empfiehlt Kimich, die Vorgesetzten im Gespräch bei ihrer Ehre zu packen. „Herr Müller, können Sie in Ihrer Position etwas für mich erreichen? Wenn Sie es nicht schaffen, wer dann?“ Statt: „Herr Müller, das kann doch jetzt nicht so schwer sein, das Gehalt zu erhöhen.“

7. Zu früh aufgeben

Häufig bekommen Angestellte zunächst eine Absage auf ihre Gehaltsforderung aus den üblichen Gründen (kein Budget, miese Geschäftszahlen etc.) – das schmerzt und irritiert. Doch gleich aufzugeben ist an dieser Stelle „das Schlimmste, was man machen kann“, sagt Strobel. „Will der Chef die Forderungen sofort vom Tisch wischen, darf man auf keinen Fall klein beigeben.“ Stattdessen stelle man freundlich klar, dass man mit der Absage nicht einverstanden ist und versucht, eine gemeinsame Lösung mit dem Vorgesetzten zu finden.

Grundsätzlich muss man sich laut den Experten im Klaren sein, dass eine erfolgreiche Verhandlung oft Zeit und viel Durchhaltevermögen erfordert. Mit einem Gespräch ist die Sache meist nicht getan, da Angestellte oft hingehalten werden. Häufig wird zum Beispiel etwas versprochen, die Parteien gehen auseinander – und es passiert weiter nichts. In diesen Fällen gilt es, nicht lockerzulassen, sagt Kimich. „Viele haben Scheu und befürchten, den Chef zu nerven. Aber genau das muss man machen. Und zwar am besten jeden Tag.“

Hat man eine Einigung erzielt, lässt man sich das Ergebnis am besten schriftlich geben oder per Mail bestätigen. Stellt der Chef eine Lösung lediglich in Aussicht, sollte man genau festhalten, wie und wann die nächsten Schritte erfolgen. Andernfalls droht die Forderung zu versanden.

Team
Text Benjamin Emonts
Illustration Jessy Asmus
Digitales Storytelling Jessy Asmus