Barfuß

Unten ohne

Ein Sommer wird erst ohne Schuhe ein richtiger Sommer: Warum es so schön ist, die Schuhe auszuziehen – und wie man dabei eine gute Figur macht.

21. Juli 2023 - 3 Min. Lesezeit

Geschichte

Barfußlaufen war vor zwei, drei Generationen in Mitteleuropa noch selbstverständlich, vor allem, wenn man wenig Geld hatte und sich die handgemachten teuren Schuhe kaum leisten konnte. Kinder mit ihren ständig wachsenden Füßen liefen deshalb in der Stadt wie auf dem Land barfuß – bis Schnee auf den Bergen fiel. Manchmal war es im Herbst so bitterkalt, erzählte die Großmutter einst, dass sie als Kinder in frische Kuhfladen stiegen, um sich die Füße zu wärmen. Im antiken Rom verhielt es sich nicht viel anders. Sandalen trugen nur die Angehörigen der oberen Schichten, die ärmeren Römer und die Sklaven liefen mit nackten Füßen durchs Land. Und so blieben bloße Füße ein Zeichen der Armut: Bettelorden der römisch-katholischen Kirche wie die Unbeschuhten Karmeliter verzichteten aus programmatischen Gründen auf schönes Schuhwerk. In vielen anderen Kulturkreisen ist es seit jeher üblich, die Schuhe und damit all den Staub und die Mühsal des Unterwegsseins abzulegen, bevor man ein Haus betritt. Und in Moscheen ist es geboten, die Schuhe abzulegen – um Gott sauber und ohne Schmutz an den Straßenschuhen zu begegnen.

Gesundheit

Selbst Krankenkassen werben mittlerweile dafür, denn: Barfußlaufen ist gesund. Viele Schuhe sind zu eng, zu hochhackig oder stützen den Fuß zu sehr. Dabei ist der menschliche Fuß mit seinen 26 Knochen, fast drei Dutzend Gelenken sowie Muskeln und Bändern ein kleines Wunderwerk, perfekt konstruiert fürs Laufen ohne Schuh. Nach der fernöstlichen Lehre von den Fußreflexzonen spiegeln sich sämtliche Körperteile in der Fußsohle – gezielte Massage soll der Selbstheilung von Lunge oder Ellbogengelenk, von Lymphknoten oder Hüfte dienen. Daran glauben nicht alle Mediziner, eher können sie sich darauf einigen, dass das Laufen mit bloßen Füßen das Immunsystem stärkt. Der Allgäuer Pfarrer Sebastian Kneipp empfahl bereits im 19. Jahrhundert regelmäßiges Wassertreten: Schuhe aus, Hosen hochgekrempelt, rein ins Wasser und schreiten wie ein Storch.

Freiheit

Was wäre ein Huckleberry Finn mit Schuhen? Ein armer Tropf, der möglicherweise auch noch in die Schule gehen und dort stillsitzen muss, statt Floß zu fahren oder durch den Wald zu stromern – statt frei zu sein. Also weg mit Schuhen und Strümpfen, und auf in einen endlos langen Sommer, frei von Verpflichtungen jeder Art. Mark Twains Held ist nicht das einzige literarische Vorbild für barfüßige Ungezwungenheit. Heidi auf der Alm, Hesses Siddhartha auf seinem spirituellen Weg, Mowgli aus dem „Dschungelbuch“ oder die kleine Meerjungfrau an Land – sie alle machen vor, dass mit den Schuhen auch sozialer Druck wegfällt. Und so fühlt es sich dann auch an, wenn wir barfuß durchs kühle, nasse Gras gehen, das Kribbeln in den Füßen spüren, stundenlang über Sandstrand laufen oder über die Kiesel in Flussbetten springen. Ein Sommer wird erst ohne Schuhe ein richtiger Sommer.

Überzieher

Es ist halt doch nicht jeder ein Tarahumara – die Angehörigen der indigenen Ethnie leben in Mexiko in felsigen Schluchten und legen mit nackten Füßen täglich zig Kilometer auf scharfkantigem Gestein zurück. Der Autor Christopher McDougall machte sie mit seinem Bestseller „Born to Run“ berühmt, daraufhin warfen Tausende Jogger in aller Welt ihre Laufschuhe weg. Doch wer barfuß rennen will, sollte seine Gelenke langsam daran gewöhnen und muss – oh je – Hornhaut aufbauen. Dann doch lieber Barfußschuhe, die das Unten-ohne-Gefühl simulieren und vor Fehltritten schützen. Als Wort sind die Dinger ein Widerspruch in sich. Erfunden hat sie der Südtiroler Kletterer und Industriedesigner Robert Fliri, in Serie gebracht unter dem Namen Five Fingers erstmals die Firma Vibram. Wie Finger im Handschuh stecken die Zehen in eigenen Fächern. Das sieht etwas ulkig nach Froschfüßen aus. Wer barfuß rennend schön sein will, muss eben leiden.

Farbe

Klar, passend zum Barbie-Sommer 2023 kann man sich natürlich auch die Nägel in Knallpink anmalen. Im Trend liegen aber tatsächlich eher „Naked Nails“: eins a pedikürte Füße nur mit einem Klarlack versehen, was im Vergleich zu all den bunten Zehen der vergangenen Jahre ironischerweise deutlich mehr auffällt. Wem das doch irgendwie zu nackt ist, der wählt am besten einen natürlichen Rosé- oder Korallenton. Einer der schönsten dieser Saison heißt „Rose Horizon“ von Hermès, weil dann bei jedem Blick auf die Füße ein bisschen die Sonne aufgeht und die Farbe zu allen Hauttönen passt (49 Euro).

Barfuß

Unten ohne

Ein Sommer wird erst ohne Schuhe ein richtiger Sommer: Warum es so schön ist, die Schuhe auszuziehen – und wie man dabei eine gute Figur macht.

Geschichte

Barfußlaufen war vor zwei, drei Generationen in Mitteleuropa noch selbstverständlich, vor allem, wenn man wenig Geld hatte und sich die handgemachten teuren Schuhe kaum leisten konnte. Kinder mit ihren ständig wachsenden Füßen liefen deshalb in der Stadt wie auf dem Land barfuß – bis Schnee auf den Bergen fiel. Manchmal war es im Herbst so bitterkalt, erzählte die Großmutter einst, dass sie als Kinder in frische Kuhfladen stiegen, um sich die Füße zu wärmen. Im antiken Rom verhielt es sich nicht viel anders. Sandalen trugen nur die Angehörigen der oberen Schichten, die ärmeren Römer und die Sklaven liefen mit nackten Füßen durchs Land. Und so blieben bloße Füße ein Zeichen der Armut: Bettelorden der römisch-katholischen Kirche wie die Unbeschuhten Karmeliter verzichteten aus programmatischen Gründen auf schönes Schuhwerk. In vielen anderen Kulturkreisen ist es seit jeher üblich, die Schuhe und damit all den Staub und die Mühsal des Unterwegsseins abzulegen, bevor man ein Haus betritt. Und in Moscheen ist es geboten, die Schuhe abzulegen – um Gott sauber und ohne Schmutz an den Straßenschuhen zu begegnen.

Gesundheit

Selbst Krankenkassen werben mittlerweile dafür, denn: Barfußlaufen ist gesund. Viele Schuhe sind zu eng, zu hochhackig oder stützen den Fuß zu sehr. Dabei ist der menschliche Fuß mit seinen 26 Knochen, fast drei Dutzend Gelenken sowie Muskeln und Bändern ein kleines Wunderwerk, perfekt konstruiert fürs Laufen ohne Schuh. Nach der fernöstlichen Lehre von den Fußreflexzonen spiegeln sich sämtliche Körperteile in der Fußsohle – gezielte Massage soll der Selbstheilung von Lunge oder Ellbogengelenk, von Lymphknoten oder Hüfte dienen. Daran glauben nicht alle Mediziner, eher können sie sich darauf einigen, dass das Laufen mit bloßen Füßen das Immunsystem stärkt. Der Allgäuer Pfarrer Sebastian Kneipp empfahl bereits im 19. Jahrhundert regelmäßiges Wassertreten: Schuhe aus, Hosen hochgekrempelt, rein ins Wasser und schreiten wie ein Storch.

Freiheit

Was wäre ein Huckleberry Finn mit Schuhen? Ein armer Tropf, der möglicherweise auch noch in die Schule gehen und dort stillsitzen muss, statt Floß zu fahren oder durch den Wald zu stromern – statt frei zu sein. Also weg mit Schuhen und Strümpfen, und auf in einen endlos langen Sommer, frei von Verpflichtungen jeder Art. Mark Twains Held ist nicht das einzige literarische Vorbild für barfüßige Ungezwungenheit. Heidi auf der Alm, Hesses Siddhartha auf seinem spirituellen Weg, Mowgli aus dem „Dschungelbuch“ oder die kleine Meerjungfrau an Land – sie alle machen vor, dass mit den Schuhen auch sozialer Druck wegfällt. Und so fühlt es sich dann auch an, wenn wir barfuß durchs kühle, nasse Gras gehen, das Kribbeln in den Füßen spüren, stundenlang über Sandstrand laufen oder über die Kiesel in Flussbetten springen. Ein Sommer wird erst ohne Schuhe ein richtiger Sommer.

Überzieher

Es ist halt doch nicht jeder ein Tarahumara – die Angehörigen der indigenen Ethnie leben in Mexiko in felsigen Schluchten und legen mit nackten Füßen täglich zig Kilometer auf scharfkantigem Gestein zurück. Der Autor Christopher McDougall machte sie mit seinem Bestseller „Born to Run“ berühmt, daraufhin warfen Tausende Jogger in aller Welt ihre Laufschuhe weg. Doch wer barfuß rennen will, sollte seine Gelenke langsam daran gewöhnen und muss – oh je – Hornhaut aufbauen. Dann doch lieber Barfußschuhe, die das Unten-ohne-Gefühl simulieren und vor Fehltritten schützen. Als Wort sind die Dinger ein Widerspruch in sich. Erfunden hat sie der Südtiroler Kletterer und Industriedesigner Robert Fliri, in Serie gebracht unter dem Namen Five Fingers erstmals die Firma Vibram. Wie Finger im Handschuh stecken die Zehen in eigenen Fächern. Das sieht etwas ulkig nach Froschfüßen aus. Wer barfuß rennend schön sein will, muss eben leiden.

Farbe

Klar, passend zum Barbie-Sommer 2023 kann man sich natürlich auch die Nägel in Knallpink anmalen. Im Trend liegen aber tatsächlich eher „Naked Nails“: eins a pedikürte Füße nur mit einem Klarlack versehen, was im Vergleich zu all den bunten Zehen der vergangenen Jahre ironischerweise deutlich mehr auffällt. Wem das doch irgendwie zu nackt ist, der wählt am besten einen natürlichen Rosé- oder Korallenton. Einer der schönsten dieser Saison heißt „Rose Horizon“ von Hermès, weil dann bei jedem Blick auf die Füße ein bisschen die Sonne aufgeht und die Farbe zu allen Hauttönen passt (49 Euro).

Text: Johanna Pfund, Jochen Temsch, Silke Wichert, Digitales Storytelling: Thomas Gröbner, Bildredaktion: Julia Hecht