Union und AfD

„Nicht Fleisch von unserem Fleische“

Ein zerstörtes Wahlplakat der AfD in Schwäbisch Gmünd, Baden-Württemberg.
Ein zerstörtes Wahlplakat der AfD in Schwäbisch Gmünd, Baden-Württemberg.

Wie soll die Union mit der AfD umgehen? Die Debatte ist so alt wie die rechte Partei selbst. Eine Chronologie in Zitaten.

24. Juli 2023 - 7 Min. Lesezeit

Gibt es zwischen CDU und AfD eine Brandmauer oder bahnt sich eine Zusammenarbeit zumindest auf kommunaler Ebene an? CDU-Parteichef Friedrich Merz hat mit seinen Äußerungen im ZDF-Sommerinterview eine parteiinterne Debatte ausgelöst, die er so schnell nicht mehr einfangen können wird.

Die Debatte über den Umgang mit der AfD ist so alt wie die Partei selbst. Gegründet 2013, wurde sie anfangs als Euro-skeptische Professorenpartei auch von der Union nicht richtig ernst genommen. Aber spätestens 2017, als die AfD mit fast 13 Prozent in den Bundestag einzog, war klar, dass dieses Phänomen nicht so schnell verschwinden wird – und für CDU und CSU gefährlich ist. Auch wenn einzelne Unionspolitiker vor allem in Wahlkämpfen immer mal wieder Themen und Intonierung von der AfD übernommen haben, die Abgrenzung nach rechts stand meist klipp und klar. Ein Rückblick.

Angela Merkel 

Die damalige Bundeskanzlerin in einem Statement im September 2014:

"Gute Regierungsarbeit ist die beste Antwort auf die AfD." 

Zu jener Zeit hatte die AfD bei Landtagswahlen in Brandenburg und Thüringen zweistellige Ergebnisse eingefahren. 

Merkel auf einer Pressekonferenz am 6. Februar 2020 in Südafrika:

"Es war ein schlechter Tag für die Demokratie. Es war ein Tag, der mit den Werten und Überzeugungen der CDU gebrochen hat.“

Merkel äußerte sich auf einer Südafrikareise zur Wahl des FDP-Mannes Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten von Thüringen. Die Wahl Kemmerichs war nur zustande gekommen, weil AfD und CDU gemeinsam für den FDP-Mann stimmten. Später rügte das Bundesverfassungsgericht die damalige Kanzlerin Angela Merkel für ihre Äußerungen.

Merkel in einem Interview auf der Leipziger Buchmesse Ende April 2023:

"Bei manchen Menschen ist es schwer, sie zurückzuholen.“

Im Gespräch mit Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo blickte Merkel auf ihre Flüchtlingspolitik in den Jahren 2015 und 2016 zurück, ihr Zitat bezieht sich auf enttäuschte Wähler, die sich von der CDU ab- und der AfD zugewandt hätten.

Peter Tauber

Der CDU-Generalsekretär bei einer Pressekonferenz im Mai 2016:

"Das ist nicht Fleisch von unserem Fleische. Aus unserer Sicht ist die AfD eine Anti-Deutschland-Partei, weil sie die Werte mit Füßen tritt, die unser Land groß und stark und erfolgreich gemacht haben.“

Die Flüchtlingskrise 2015, Angela Merkels „Wir schaffen das“-Rede und die Kölner Silvesternacht 2015/16. Die AfD versucht Kapital zu schlagen aus der Angst vor dem Fremden. Tauber ist in der CDU einer derjenigen, die sich – trotz des Drucks – stets sehr klar für eine Abgrenzung zur AfD aussprechen.

Es ist eine Haltung, die der Hesse auch noch offensiv vertritt, als er bereits nicht mehr Generalsekretär der CDU ist. In einer Rede im Bundestag bemüht er sogar Master Yoda, eine Figur aus der Science-Fiction-Filmserie „Star Wars“, um zu verdeutlichen, wie seine Partei sich von der AfD abgrenzen sollte.

Peter Tauber im Juni 2018 im Bundestag:

"Furcht führt zu Wut. Wut führt zu Hass. Hass zu unsäglichem Leid. Das ist der Pfad zur dunklen Seite. Wenn Sie für das dunkle Deutschland stehen wollen, ist das Ihre Entscheidung. Wir stehen für das gute Deutschland.“

Annegret Kramp-Karrenbauer

Die damalige CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer im ARD-Sommerinterview im September 2019:

"Wir dürfen uns nicht mit der AfD anbiedern und in ein Bett legen, das hat in ganz Europa noch für keine konservative Partei funktioniert.“

Vorangegangen waren dem Interview die Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg. In Sachsen wurde die CDU zwar stärkste Kraft, musste aber deutliche Verluste hinnehmen. Die AfD hingegen gewann 17,8 Prozentpunkte hinzu. In Brandenburg schaffte es die CDU nur auf Platz drei. In beiden Bundesländern erreichte die AfD etwa ein Viertel der Wählerstimmen.

Horst Seehofer

Der damalige CSU-Chef im Jahr 2018:

"Herr Gauland kann sagen, was er will: Es gibt keine Koalition zwischen Union und AfD. Nein, nein, nein."

Seehofer im September 2018:

"Die stellen sich gegen diesen Staat. Da können sie tausend Mal sagen, sie sind Demokraten. (...) Das ist staatszersetzend.“

In einem dpa-Interview äußerte sich der CSU-Chef wütend über den Versuch der AfD-Fraktion im Bundestag, den Haushalt von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum Debattenthema zu machen. Dieser hatte zuvor zur Unterstützung eines Chemnitzer Open-Air-Konzerts gegen Fremdenhass aufgerufen. Das Interview war später auf der Internetseite des Bundesinnenministeriums veröffentlicht worden. Die AfD klagte vor dem Bundesverfassungsgericht dagegen, dass Seehofer mit der Veröffentlichung die Neutralitätspflicht als Minister verletzt hätte, und bekam recht.

Armin Laschet

CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet 2021:

"Mit der AfD wird nicht koaliert, nicht kooperiert, nicht einmal verhandelt, sie sind unser erklärter politischer Gegner.“

Laschet, inzwischen einfacher Abgeordneter, bei einer Bundestagsrede im Juli 2023:

"Aber Hetze und Spaltung vergiften unser Land. Die AfD ist eine Gefahr für den inneren Frieden.“

Die AfD hatte die Unruhen in Frankreich missbraucht, um im Bundestag Stimmung gegen Menschen mit Einwanderungsbiografie in Deutschland zu machen. Laschet hielt daraufhin eine Rede im Bundestag, die ihm viral viel Zuspruch einbrachte.

Markus Söder

Markus Söder beim Politischen Aschermittwoch der CSU, 6. März 2019:

"Kehrt zurück und lasst die Nazis alleine in der AfD.“

Ministerpräsident Söder bei einer Kundgebung gegen das Heizungsgesetz der Ampelkoalition in Erding, 10. Juni 2023:

"Die bürgerliche Mitte hat nichts mit AfD, hat nichts mit Anti-Demokraten zu tun.“

CSU-Chef Söder antwortet bei Twitter auf die Äußerungen von Friedrich Merz:

"Die CSU lehnt jede Zusammenarbeit mit der AfD ab – egal auf welcher politischen Ebene. Denn die AfD ist demokratiefeindlich, rechtsextrem und spaltet unsere Gesellschaft. Das ist mit unseren Werten nicht vereinbar.“

Friedrich Merz 

Friedrich Merz in einem Interview mit dem Hamburger Abendblatt im November 2018:

"Das traue ich mir zu, die AfD zu halbieren, das geht.“

Der designierte CDU-Parteichef in einem Spiegel-Interview im Dezember 2021:

"Mit mir wird es eine Brandmauer zur AfD geben. Die Landesverbände, vor allem im Osten, bekommen von uns eine glasklare Ansage: Wenn irgendjemand von uns die Hand hebt, um mit der AfD zusammenzuarbeiten, dann steht am nächsten Tag ein Parteiausschlussverfahren an."

Es ist das erste größere Interview, das Friedrich Merz in seiner neuen Rolle gibt. Noch ist er nicht einmal offiziell von einem Parteitag gewählt.

Merz im ZDF-Sommerinterview am 23. Juli 2023:

"Natürlich muss dann in den Kommunalparlamenten nach Wegen gesucht werden, wie man die Stadt, den Landkreis gestaltet."

Auf kommunaler Ebene gibt es längst inoffizielle Kooperationen mit der Rechtsaußenpartei, nicht selten wird in Städte- und Gemeindevertretungen gemeinsam abgestimmt. Dass die CDU mit der AfD nicht kooperiere, gelte insbesondere auf Landes-, Bundes- und auf europäischer Ebene, stellt Merz klar. Nach heftiger Kritik aus den eigenen Reihen muss Merz seine Aussagen deshalb am Tag darauf auf Twitter sogleich relativieren.

"Um es noch einmal klarzustellen, und ich habe es nie anders gesagt: Die Beschlusslage der CDU gilt. Es wird auch auf kommunaler Ebene keine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD geben.“
Text: Oliver Klasen, Julia Hippert, Digitales Storytelling: Carolin Werthmann