

Es ist keine große Sache, wenn jemand mal das Licht brennen lässt. Macht man es eben aus, wenn man ohnehin am Schalter vorbeiläuft. Gerade in einem Einfamilienhaus: Wer weiß, wann das nächste Mal wieder jemand in den obersten Stock kommt. Also dreht man im Bad, im Zimmer des Jüngsten und im Flur gleich noch ein paar Heizungen runter. Beim ersten Mal mit Nachsicht, beim zweiten und dritten Mal dann zunehmend genervt. Bis man seine Mitbewohner, die gerade am Esstisch sitzen, dann doch mit der Bilanz konfrontieren muss: „Ich habe auf dem Weg hierher sieben (!) Lichter und drei (!) Heizungen ausgemacht!“
Keine Studien braucht es, um über die Häufigkeit der Streiterei an Lichtschalter und Thermostat Bescheid zu wissen. Aber wenigstens zeigen sie, dass man damit nicht allein ist. Einer Umfrage zufolge soll am häufigsten übers Licht gestritten werden. Dabei verbraucht Heizen und ausgiebiges Duschen oder Baden viel mehr Energie. Die meisten Ressourcen aber dürften ohnehin die vielen Diskussionen und Streitereien kosten: In der Theorie sind sich alle einig, dass man Gas, Strom und Wasser sparen sollte. Wäre da nicht die Praxis.
Es sind Situationen, wie sie Kira Liebmann, Gründerin der „Akademie für Familiencoaching“, sehr vertraut sind. „Pubertierende nehmen nur wahr, was sie gerade interessiert - alles andere hat für sie keine Relevanz“, sagt sie. Deshalb denke der 14-Jährige, sobald er das Zimmer verlässt, um sich aus der Küche etwas zu Essen zu holen, zwar an den Kühlschrank, nicht aber an den Lichtschalter.
Hinzu kommt die Macht der Gewohnheit, der nicht nur Pubertierende unterliegen: In ihrem Buch „Good Habits, Bad Habits“ schreibt die Psychologin Wendy Wood, dass Menschen bis zu 43 Prozent ihrer Handlungen erledigen, ohne nachzudenken. Der eine lässt das Licht aus Gewohnheit brennen. Die andere macht es aus Gewohnheit aus.
Nun sinken die Preise für Strom und Wärme zwar seit ein paar Wochen wieder, was die Diskussion in den Familien zum Ende bringen könnte. Doch die Notwendigkeit des Sparens für Geldbeutel und Klima verschwindet dadurch ja nicht.
Nur, wie lässt sich etwas nachhaltig ändern? „Indem man aufs Timing achtet“, schlägt Liebmann vor. „Und Regeln dann aufstellt, wenn die Kinder gerade nicht dagegen verstoßen. Insbesondere in der Pubertät lehnen viele Jugendliche sich gegen geltende Regeln zu Hause auf und prüfen genau, wo die Eltern inkonsequent sind.“
Wichtig sei dabei, die eigenen Motive so authentisch wie möglich darzulegen: Wollen die Eltern sparen, damit sie den nächsten Familienurlaub finanzieren? Oder geht es darum, der Klimakrise entgegenzutreten, zumindest im Kleinen? „Im nächsten Schritt sollten Eltern und Nachwuchs sich gemeinsam Regeln überlegen, um diese Motive in konkrete Maßnahmen für den Alltag zu übersetzen. Dann halten sie sich auch viel eher daran.“
Grundsätzlich solle man seine Kinder zwar in die Konsequenzen einbinden, nicht aber in die eigenen Ängste. Man darf ihnen also durchaus die Heizkostenrechnung präsentieren, um zu verdeutlichen, wie sich hoher Verbrauch auswirkt. Aber nicht gleich ein Szenario ausmalen, bei dem die Familie auf der Straße landet.
Die Argumentation aber nur aufs Geld zu reduzieren, greift zu kurz, findet Jörg Bernardy, Philosoph und Autor mehrerer Sachbücher wie zum Beispiel „Philosophische Gedankensprünge“, die sich an Jugendliche richten: „Wer es sich leisten kann, dürfte sich demnach freikaufen und sich klimaschädlich verhalten, während andere darauf angewiesen sind, durch Energiesparen die Ausgaben niedrig zu halten“.
Aus philosophischer Sicht sollte man weiterdenken und die nächsten Generationen in die eigenen Handlungen miteinbeziehen, fordert Bernardy. Doch kaum etwas fällt Menschen schwerer. Wenn Teenager duschen, bis der Dampf aus den Ritzen der verschlossenen Badezimmertür quillt, denken die Wenigsten daran, was das Verhalten für die Menschen in 100 Jahren bedeutet.
Daher müsse man hier mit gutem Beispiel vorangehen, findet der Philosoph, und rät dazu, Lösungen selbst vorzuleben. „Verantwortungsdenken gehört zu einem sinnerfüllten Leben, das sollten Jugendliche kennenlernen.“ Wichtig ist dabei, nichts zu fordern, das man an anderer Stelle nicht selbst vorlebt: Wer auf die Einhaltung hausinterner Regeln pocht, sollte auch darüber nachdenken, wann er zum letzten Mal geflogen oder Auto gefahren ist.