Süddeutsche Zeitung

Zitate zur NSA-Affäre:"Was kann man wissen wollen aus dem Bundesagrarministerium?"

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Ausspähen unter Freunden gehe gar nicht, sagte die Kanzlerin. Jetzt ist klar, dass sich weite Teile der Regierung im Visier der NSA befanden. Doch in Berlin kümmert das niemanden.

Als ab Sommer 2013 immer neue Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden über die globale Überwachung des Internet-Datenverkehrs an die Öffentlichkeit kommen, versuchen deutsche Regierungspolitiker zu beschwichtigen: Kein Regelverstoß der US-Geheimdienste, alles ist okay. Manche Aussagen wirken im Nachhinein deplatziert.

"Die amerikanische Regierung ist kein Objekt der Beobachtung deutscher Dienste. Ich gehe davon aus, dass auch die US-Sicherheitsbehörden unsere Entscheidungsträger nicht ausforschen." - Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) am 5. Juli 2013 in der Bild-Zeitung.

"Mir ist nicht bekannt, dass ich abgehört wurde." - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am 14. Juli 2013 im ARD-Sommerinterview.

"Sicherheit ist ein Supergrundrecht." - Innenminister Friedrich nach einer Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums zur Kontrolle der Geheimdienste (PKGr) am 16. Juli 2013.

"Es ist nicht meine Aufgabe, mich in Details von Prism einzuarbeiten. (...) Der amerikanische Präsident Obama hat vor einigen Tagen gesagt, hundert Prozent Sicherheit, hundert Prozent Privatsphäre, null Unannehmlichkeit, das sei nicht zu haben. Das stimmt." - Kanzlerin Merkel am 19. Juli 2013 vor der Bundespressekonferenz.

"Nein. Um jetzt noch einmal klar etwas dazu zu sagen, was wir über angebliche Überwachungen auch von EU-Einrichtungen und so weiter gehört haben: Das fällt in die Kategorie dessen, dass man das unter Freunden nicht macht. Das geht nicht." - Kanzlerin Merkel am 19. Juli 2013 vor der Bundespressekonferenz auf die Frage, ob sie das Gefühl habe, ihr Telefon werde abgehört.

"Die Vorwürfe sind vom Tisch. (...) Die NSA und der britische Nachrichtendienst haben erklärt, dass sie sich in Deutschland an deutsches Recht halten. (...) Der Datenschutz wurde zu einhundert Prozent eingehalten." - Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) am 12. August 2013 nach einer Sitzung des PKGr.

"Wir haben keine Anhaltspunkte, dass dies geschehen ist. (...) Alle Verdächtigungen, die erhoben wurden, sind ausgeräumt." - Innenminister Friedrich am 16. August 2013 in der Rheinischen Post auf die Frage, ob europäische oder deutsche Regierungsstellen abgehört wurden.

In der heißen Phase des Wahlkampfs 2013 treten die unterschiedlichen Positionen der Regierung und der Oppositionsparteien deutlich zu Tage. Damals hofft die SPD noch, nicht zum Juniorpartner in einer großen Koalition zu werden:

"Darauf muss ich vertrauen, ich habe jedenfalls keinen Anlass, dem nicht zu vertrauen." - Kanzlerin Merkel im TV-Duell am 1. September 2013 zu den Aussagen der NSA, sich in Deutschland an deutsches Recht zu halten.

"Was wir heute hier erleben ist die Fortsetzung des rot-grünen Sommertheaters. Wie erkläre ich einen Skandal, der keiner ist." - Unions-Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU) in der Bundestagsdebatte über Tempora und Prism am 3. September 2013.

"Doch Sie (die schwarz-gelbe Regierung unter Kanzlerin Merkel, d.Red.) mit Ihrer Geschäftsordnungsmehrheit wollen diese Debatte im Bundestag verhindern. Sie wollen die Affäre totschweigen. Das ist armselig. Bis heute sind die wichtigsten Vorwürfe von Edward Snowden nicht aufgeklärt." - Thomas Oppermann (parlamentarischer Geschäftsführer der damals noch oppositionellen SPD-Fraktion) in der gleichen Bundestagsdebatte

"Die neuen Enthüllungen zeigen, dass im NSA-Skandal - anders als die Bundesregierung behauptet - rein gar nichts geklärt ist." - Thomas Oppermann (parlamentarischer Geschäftsführer der damals noch oppositionellen SPD-Fraktion) am 6. September 2013 nach Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden, wonach die NSA und ihr britischer Partnerdienst GCHQ verschlüsselte Kommunikation im Internet, zum Beispiel E-Mails, Banküberweisungen oder Telefonate, problemlos knacken können.

"Das ist kein Thema der Politik. Die neuen Vorwürfe, die kommen, sind ein Thema zwischen der amerikanischen Regierung, der NSA und den Herstellern. Damit haben wir in Deutschland nichts zu tun und ich sehe auch keine neue Eskalation des Skandals." - Philipp Mißfelder, außenpolitischer Sprecher der CDU, am 8. September 2013 in den ARD-Tagesthemen zu Vorwürfen, die NSA könne Blackberry, Android- und Apple-Smartphones abhören.

"Da sind die entsprechenden Fachleute beieinander, die das auch besprechen. Das können sie in wenigen Tagen doch nicht klären." - CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt am 19. September 2013 in der Berliner Runde der ARD auf die Frage, warum die Bundesregierung die NSA-Affäre nicht schneller aufkläre.

"Ausspähen unter Freunden - das geht gar nicht" - Angela Merkel vor einem EU-Gipfel, nachdem durch Medienberichte am 23./24. Oktober 2013 bekannt geworden war, dass die NSA wohl das Handy der Kanzlerin ausspioniert hat. Es ist das markanteste Zitat der Kanzlerin in der NSA-Affäre.

Im November 2013 ist klar: Die SPD wird zum kleinen Partner in einer großen Koalition. Vor allem der spätere Fraktionschef Thomas Oppermann fährt seine Kritik an der Kanzlerin zum Umgang mit der NSA-Affäre deutlich zurück.

"Der Hauptausschuss ist natürlich nicht grundgesetzwidrig. Das ist ein Ausschuss, in dem das Parlament jetzt für einen kurzen Zeitraum entscheidet, wie es seine Arbeit organisiert." - SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann am 28. November 2013 nach dem erfolgreichen Abschluss der schwarz-roten Koalitionsverhandlungen zur Einsetzung eines Hauptausschusses im Bundestag. Mit diesem Schritt verhinderte die Union zusammen mit ihrem künftigen Koalitionspartner SPD eine Abstimmung über Anträge von Linken und Grünen. Darin sollte die Regierung zu besserer Aufklärung in der NSA-Affäre aufgefordert werden.

"Wenn es dabei bleibt, was wir jetzt wissen, dann sind die durch diese mutmaßliche Spionage gewonnenen Informationen lächerlich. (...) Der politische Schaden ist dagegen jetzt schon unverhältnismäßig und schwerwiegend." - Innenminister Thomas de Maizère (CDU) am 10. Juli 2014

"Wenn zwei Drittel dessen, was Edward Snowden vorträgt oder was unter Berufung auf ihn als Quelle vorgetragen wird, stimmen, dann komme ich zu dem Schluss: Die USA handeln ohne Maß." - Innenminister Thomas de Maizière am 5. September 2014 in einem Spiegel-Interview.

Mittlerweile ist bekannt, dass die NSA nicht nur die Kanzlerin, sondern auch weitere Mitglieder der deutschen Regierung und Beamte ausspioniert hat. Spätestens seit April 2015 steht zudem der Vorwurf der Wirtschaftsspionage im Raum. Auf einer NSA-Selektorenliste fanden sich der europäische Rüstungskonzern EADS und die Firma Eurocopter. Die jüngsten Wikileaks-Dokumente zeigen: Die US-Spione interessierten sich auch für das Bundeswirtschaftsministerium. Große Empörung macht sich im Regierungslager auch diesmal nicht breit.

"Wir machen nichts in Ministerien per Telefon, was man abhören müsste. Viel gefährlicher finde ich, dass sich erneut die Frage stellt, sind die (US-Spione, d.Red.) eigentlich auch in der Wirtschaft unterwegs. Mein Ministerium ist mit zuständig dafür, Unternehmen zu schützen vor Wirtschaftsspionage, und das finde ich das problematischere Thema." - Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) am 2. Juli 2015 im ARD-Morgenmagazin zu den jüngsten Wikileaks-Enthüllungen, wonach deutsche Ministerien von der NSA mindestens seit den neunziger Jahren ausspioniert wurden.

"Wir werden das überprüfen. (...) Wir sind misstrauischer geworden. Über Jahrzehnte waren auch westliche Geheimdienste nicht Gegenstand der Spionageabwehr. (...) Mit Beginn dieser Legislaturperiode werden auch westliche Nachrichtendienste daraufhin überprüft, ob sie hier Spionage betreiben." - Innenminister Thomas de Maizière (CDU) am 2. Juli 2015 im ARD- Morgenmagazin

"Was verdammt nochmal kann man wissen wollen aus dem Bundesagrarministerium aus dem Jahre 2005 oder 2006? Das ist mir völlig rätselhaft. Aber das zeigt im Grunde, Nachrichtendienste sind so wie sie sind. (...) Jeder, der an ein elektronisches Gerät geht, an ein Telefon oder an sonstiges, muss wissen, dass es technisch unendlich viele Möglichkeiten gibt, ihn abzuhören." - Hans-Peter Friedrich (CSU) am 2. Juli im Deutschlandfunk, von Dezember 2013 bis Februar 2014 Landwirtschaftsminister

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