Süddeutsche Zeitung

Wirtschaftsministerium:Staatssekretär Baake will gefeuert werden

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Von Michael Bauchmüller, Berlin

Wenn bei einem Regierungswechsel Staatssekretäre gehen, gehört das zum Lauf der Dinge. Die Spitzenbeamten in den Ministerien sind schließlich Vertraute der jeweiligen Minister. Meist verschwinden sie ohne viel Aufhebens. Nicht so Rainer Baake.

Der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium hat seinen künftigen Amtsherrn am Montag schriftlich aufgefordert, ihn rasch von seinen Aufgaben zu entbinden. "Von einem Staatssekretär wird zu Recht erwartet, dass er sich in fortdauernder Übereinstimmung mit den grundsätzlichen Politiken und Zielen der Regierung befindet", schreibt Baake, 62, an den designierten Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). "Ich kann das von mir in Zukunft nicht mehr behaupten." Dafür habe sich die Koalition bei Klimaschutz und Energiewende schlicht zu wenig vorgenommen, der Koalitionsvertrag sei da "eine herbe Enttäuschung". Es ist ein Paukenschlag, mit dem sich Baake aus dem Amt verabschiedet.

2013 galt die Energiewende als Großbaustelle

Ein Paukenschlag allerdings war schon, dass er es überhaupt ausüben durfte. In der rot-grünen Bundesregierung von 1998 bis 2005 war Baake, selbst Grünen-Mitglied, Staatssekretär des damaligen Umweltministers Jürgen Trittin. Dass der Sozialdemokrat Sigmar Gabriel ihn 2013 dennoch fragte, ob er auch für ihn als Staatssekretär arbeiten wolle, galt damals als Sensation.

Seinerzeit galt die Energiewende als Großbaustelle, der Koalitionsvertrag verlangte "engagierten Klimaschutz" und enthielt ein mehr als zwölfseitiges Energiekapitel gleich im ersten Drittel. Die neue Koalition gesteht ihr noch fünf Seiten zu, die über das ganze Vertragswerk verteilt sind. "Die Regierung verpasst die Chance einer umfassenden Modernisierung unserer Volkswirtschaft", schreibt Baake nun. "Der Umstieg von fossilen Kraftwerken, fossilen Heizungen und fossilen Verbrennungsmotoren auf Effizienz und erneuerbare Energien wird viel zu zögerlich angegangen."

Baake, der zwischen seinen beiden Staatssekretärs-Zeiten erst die Deutsche Umwelthilfe und dann den Thinktank Agora-Energiewende geleitet hat, hat aus seinen Überzeugungen nie großen Hehl gemacht. Auch deshalb war er weiten Teilen der etablierten Energiewirtschaft zuletzt verhasst. In seinen gefestigten Anschauungen galt er für die Argumente von Unternehmen und Verbänden als wenig zugänglich. Zwischenzeitlich liefen regelrechte Kampagnen gegen den grünen Staatssekretär - die aber den roten Minister Gabriel nicht beeindruckten.

Auch die Grünen sind nicht mehr nur gut auf Baake zu sprechen

Die meisten Feinde verschaffte sich Baake dabei mit Plänen, ältere Braunkohlekraftwerke aus dem Markt zu drängen. Helfen sollte eine neu geschaffene "Klimaabgabe" für die Kohle. Betroffene Stromkonzerne und Gewerkschaften liefen Sturm. Gabriel ließ zwar nicht Baake, wohl aber die Pläne fallen.

Auch Grüne sind nicht mehr nur gut auf ihn zu sprechen. Mit zwei Neufassungen des Ökostromgesetzes EEG sorgte er dafür, dass neue Wind- oder Solarparks miteinander konkurrieren: Die Vergütung für den Ökostrom legt seitdem nicht mehr der Gesetzgeber fest; stattdessen kommen bei Ausschreibungen nur noch die günstigsten Gebote zum Zuge. Die Fördersätze für den eingespeisten Ökostrom sind seither massiv gesunken. Viele Grüne bedauern das, sie bangen um Projekte von Bürgern. Ähnlich umstritten war die Schaffung eines milliardenschweren "Atomfonds", mit dem sich die deutschen Stromkonzerne ihrer nuklearen Altlasten entledigen konnten. Doch die entscheidenden Verhandlungen führte, im Auftrag Gabriels, nicht zufällig Baakes einstiger Chef Trittin - mit Erfolg. Die Kritik der Grünen blieb leise.

Kaum anzunehmen, dass der CDU-Mann Altmaier den Grünen Baake als Staatssekretär behalten hätte; dafür sind auch die Widerstände in der Union zu groß. Mit seinem Schreiben kommt er nur seiner Entlassung zuvor. Aber Rainer Baake, nicht uneitel, nutzt den Abgang für ein Vermächtnis.

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SZ vom 06.03.2018
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