Süddeutsche Zeitung

Vorbereitung für Olympia:Putin macht Sotschi zur Festung

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Drohnen, Satelliten und mehr als 30.000 Bewacher: Die Olympiastadt Sotschi wird zur Hochsicherheitszone. Doch Kritiker befürchten, dass einige Vorkehrungen gar nicht das Ziel hätten, Anschläge zu verhindern.

Von Frank Nienhuysen

Es soll alles sehr beruhigend klingen, was Demid Kosterew gern erläutert. Vier Kameras in jedem der tausend Busse, die Teilnehmer und Gäste durch die Olympiawelt von Sotschi fahren. Die Videobilder der Fahrzeuge werden ständig aufgezeichnet, es gibt Rauchmelder, Temperatursensoren und neben dem Fahrer auch noch einen roten Alarmknopf, sicher ist sicher. Wohin die Busse gerade fahren, wird vom russischen Satellitennavigationssystem Glonass erfasst, die genauen Positionen werden ins Logistikzentrum übertragen, dort wiederum kontrolliert von 29 Mitarbeitern.

Kosterew ist Vizechef der Transportdirektion, und wenn auch seine Busse erst mit Eröffnung der Spiele am 7. Februar zum Einsatz kommen, so hat sich für die Stadt schon an diesem Dienstag gewaltig etwas verändert. Sotschi, von Palmen gesäumter subtropischer Badeort und Gastgeber der Olympischen Winterspiele, ist jetzt eine Festung.

Schwere Zeiten für die Bewohner

Die russischen Sicherheitskräfte, geschätzt werden mehr als 30.000, seien vom 7. Januar an "in erhöhter Alarmbereitschaft", sagte Katastrophenschutz-Minister Wladimir Putschkow, "jede Einrichtung steht unter Schutz, ein weltraumgestütztes Beobachtungssystem wird in Gang gesetzt." Sotschi wird abgeriegelt, kontrolliert, wie wohl keine andere Stadt.

Am Rand des administrativ extrem weit ausgedehnten Gebiets von Sotschi ist nun eine Verbotszone wirksam, in die kein Fahrzeug mehr hinein darf, das nicht in Sotschi gemeldet oder eigens für die Spiele registriert ist. Diese Verbotszone reicht über Hunderte Quadratkilometer von der Grenze Karatschai-Tscherkessiens mit zur russischen Grenze zu Abchasien. Zur Verfügung gestellte Parkplätze befinden sich nach russischen Medienberichten mindestens hundert Kilometer vom Zentrum Sotschis entfernt.

Für die Bewohner der südrussischen Stadt haben schwere Zeiten begonnen. Im Blog des Radiosenders Echo Moskaus schreibt Sofiya2012, dass am Bahnhof auf dem Weg zu den Vorortzügen Polizisten "einen nach dem anderen kontrollieren. Das ist ja eigentlich noch nicht schlimm, aber weshalb nur nehmen sie einem Lebensmittel weg?" Der Nutzer Trexx berichtet von überprüften und zurückgeschickten Bussen, ein anderer meint: "Lieber für ein paar Monate nach Florida verreisen. Das ist billiger, besser und sicherer."

Drohnen werden für die Bewohner der Olympiastadt zu fliegenden Begleitern, die Schwarzmeerküste wird vom Meer aus schwer bewacht, Sotschi mit Boden-Luft-Raketen gesichert, und auch dem Verkehr von E-Mails und Handy-Telefonaten gilt das verstärkte Interesse der russischen Sicherheitsdienste. So etwas wie die beiden Terroranschläge in Wolgograd, bei denen Ende Dezember 34 Menschen starben, soll sich keinesfalls in Sotschi wiederholen dürfen. Erst nach dem 21. März soll die Festung demontiert werden, knapp eine Woche nach dem Ende der Paralympics.

Kosaken vor den Hotels

Andrej Soldatow, Chefredakteur des Internetportals agentura.ru und einer der besten Kenner der russischen Sicherheitsdienste, sieht in all dem offiziell erklärten Aufwand zum Schutz der Winterspiele allerdings "nur die Fragmente eines Bildes". Es sei dies die "traditionelle russische Art zu Fragen der Sicherheit: Alles ist immer mit Geheimnissen verbunden", sagte er in einem Interview von Radio Swoboda. Soldatow, der kürzlich von einer Sotschi-Reise zurückgekehrt ist, hält es etwa "für interessant", dass an den Hotels im Olympiapark Kosaken postiert seien. "Viele der Sicherheitsmaßnahmen haben meiner Ansicht nach gar nicht das Ziel, Anschläge zu verhindern", sagt er.

Er räumt ein, dass er mit Anschlägen in Sotschi nicht unbedingt rechnet. "Doch Terroristen können Angriffe auch hinter den Grenzen von Sotschi organisieren." Alle Reformen, die es in den russischen Sicherheitsdiensten zuletzt gegeben habe, etwa zur besseren Koordination zwischen den Behörden, zielten auf groß angelegte Angriffe von islamistischen Kämpfern ab. "Das ist aber derzeit nicht die gefährlichste Variante", sagt Soldatow.

Ein wichtiges Ereignis in Sotschi ist immerhin ohne Zwischenfall verlaufen: die Eröffnung einer Kirche zum orthodoxen Weihnachtsfest durch Präsident Wladimir Putin. Die Kirche steht am Eingang des Olympiaparks.

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Quelle:
SZ vom 08.01.2014
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