Süddeutsche Zeitung

Vor Klars Entlassung:Ströbele fordert Freiheit für alle RAF-Häftlinge

Lesezeit: 3 min

Grünen-Politiker Ströbele, einst RAF-Anwalt, will eine bessere Aufarbeitung der RAF-Zeit. Verbliebene Häftlinge wie Birgit Hogefeld sollten entlassen werden.

Oliver Das Gupta

Die Protestbewegung der 68er-Zeit und ihre Folgen sind Hans-Christian Ströbele, 69, nur zu bekannt. Er hat 1969 das "Sozialistische Anwaltskollektiv" in Berlin gegründet und verteidigte von 1970 an Angehörige der Rote-Armee-Fraktion (RAF). Prominentester Mandant war Andreas Baader.

Seine Vita ist eng mit der Geschichte des deutschen Terrors verknüpft. Auch redete er Mandanten, die er aus der Zeit der Studentenbewegung kannte, mit "Genossen" an, was ihm den Parteiausschluss aus der SPD bescherte.

Später gehörte er zu den Mitgründern der taz und der Alternativen Liste für Demokratie und Umweltschutz (AL). Daraus wurde der Landesverband der Grünen in Berlin.

Jurist Ströbele, der seit vielen Jahren für die Grünen im Bundestag sitzt, begrüßt im Gespräch mit sueddeutsche.de die anstehende Freilassung von Ex-Terrorist Christian Klar. Er empfiehlt, auch die anderen Verurteilten nicht länger in Haft zu halten - in Freiheit rede es sich besser.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was Ströbele zur anstehenden Freilassung von Christian Klar sagt - und warum er eine gründliche Aufarbeitung der RAF-Zeit fordert.

Hans-Christian Ströbele über die Freilassung Klars

"Ich begrüße diese Entscheidung. Sie ist keine Gnadenentscheidung, sondern einfach die konsequente Anwendung des entsprechenden Gesetzes. Kritik an der Entscheidung halte ich für unangebracht. Die Richter haben sich schlicht ans Gesetz gehalten. Dieses Gesetz gilt eben für alle - auch für Leute, die in der RAF gewesen sind und wegen schwerer Straftaten verurteilt wurden. Ich erwarte kein Wiederaufflammen einer neuen, ausufernden und langwährenden Debatte über den Umgang mit früheren RAF-Mitgliedern. Ich kenne Christian Klar persönlich nicht. Bundesanwaltschaft und Gericht gehen offenbar davon aus, dass von ihm keine Gefahr ausgeht."

Über die Aufarbeitung der RAF-Zeit

"Ich hoffe nach wie vor auf ein Aufarbeiten der Dinge, die damals passiert sind. Gerade junge Leute, die damals noch zu jung waren oder erst später geboren wurden, haben ein großes Interesse. Sie wollen eine Erklärung: Was haben die Terroristen getan? Warum haben sie das getan? Woher kamen sie? Wie hat sich der Staat verhalten?

Ich habe den Eindruck, dass sich die Gesellschaft zu wenig mit dieser Zeit befasst. In Schulen, Universitäten und auch in Elternhäusern sollte dieses - nicht nur für mich persönlich - wichtige Kapitel deutscher Geschichte thematisiert wird. Wir können aus diesem Teil deutscher Vergangenheit vielleicht auch lernen und wir sollten heute Rückschlüsse ziehen: Wie man mit solchen Herausforderungen als Staat und Gesellschaft umgeht und Fehler von damals vermeidet."

Lesen Sie auf der nächsten Seite über Ströbeles Haltung zu den nach wie vor leidenden Angehörigen von RAF-Opfern und was er am Film "Baader-Meinhof-Komplex" kritisiert.

Ströbele über Michael Buback, Sohn des ermordeten Generalbundesanwalts Siegfried Buback

"Es scheint eine gewisse Scheu zu geben, die RAF-Zeit eingehend aufzuarbeiten. Ich habe festgestellt, dass ich darin mit Michael Buback übereinstimme, wenn es ihm darum geht, Hintergründe zu beleuchten und Zusammenhänge zu zeigen. Dass Herr Buback vor allem fordert, die Ermordung seines Vaters aufzuklären, kann ich verstehen. Es ist nachvollziehbar, dass die Angehörigen der Opfer an den offenen Fragen nach wie vor leiden."

Über die Chance eines neuen Dialogs und neue Erkenntnisse

"Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass die früheren RAF-Mitglieder eher über das damalige Geschehen reden, wenn die Haft beendet ist. Wer in Freiheit ist, dem fällt es leichter, zu reden. Einige haben nach ihrer Knastzeit viel geschrieben und mitdiskutiert, wobei die Motivlage wohl sehr unterschiedlich ist. Wichtig ist sicherlich, dass die noch einsitzenden Verurteilten aus der RAF frei kommen. Freiheit erleichtert das Gespräch. Manchmal ist es auch ratsam, das nicht öffentlich zu machen, sondern im kleineren Kreis."

Über den Kinofilm "Baader-Meinhof-Komplex"

"Der Film ist sicherlich faktenreich, aber zur Aufarbeitung hilft er nicht so sehr. Vieles von den Dingen, die am Anfang der Radikalisierung standen, wird in zu kurzen Schnitten gezeigt.

Die Macher haben sich entschieden, einen Action-Streifen zu machen - anstatt eines Films, der sich intensiv mit den Hintergründen und Ursachen befasst. Ob das gut war? Sicher: Es gab eine ungeheure Medienwahrnehmung. Ich habe viele der dargestellten Personen ja persönlich gekannt. Manche Charaktere waren besser getroffen, andere weniger. Mehr möchte ich über die Personen nicht sagen, denn meine anwaltliche Schweigepflicht besteht über den Tod hinaus."

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