Süddeutsche Zeitung

Vor geplanter Friedenskonferenz:Syriens gespaltene Opposition

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Seit zwei Jahren ist Selbstlähmung das entscheidende Charakteristikum der Assad-Gegner. Auch jetzt, im Vorfeld einer geplanten Friedenskonferenz in Genf, ist die syrische Exil-Opposition tief gespalten. Das liegt unter anderem an den unterschiedlichen Interessen ihrer Unterstützer.

Von Sonja Zekri, Kairo

In Brüssel und Paris ringt der Westen um Einheit im Syrien-Konflikt, in Istanbul beweist die Opposition, dass sie so gespalten ist wie ihre Unterstützer. Die 60-köpfige Syrische Nationale Koalition, die jüngste Dachorganisation im Exil für den Kampf gegen Präsident Baschar al-Assad, hat es nach tagelanger Debatte mit Ach und Krach geschafft, den Liberalen und Säkularen um den Oppositionsveteranen Michel Kilo fünf Sitze einzuräumen. Kilo hatte 25 Sitze gefordert. An die Adresse der Koalition sagte er: "Ich habe nicht den Eindruck, dass Sie kooperieren möchten und unsere ausgestreckte Hand ergreifen wollen." Er wünsche viel Glück, seine Gruppe wollte bald entscheiden, ob sie angesichts dieser schwachen Vertretung überhaupt an dem Bündnis teilnehmen werde.

US-Außenminister John Kerry versuchte am Montag in Paris, mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow Details einer geplanten Friedenskonferenz in Genf zu fixieren. Präsident Assad, beflügelt durch militärische Erfolge, hat sich großmütig zur Entsendung einer Delegation nach Genf herabgelassen. Die Opposition aber kann derzeit nicht einmal darlegen, in welcher Besetzung und mit welchen Inhalten sie in Genf auflaufen wird.

Selbstlähmung ist ein Charakteristikum der syrischen Opposition seit zwei Jahren. Aber ausgerechnet jene, die von den Assad-Gegnern Einheit fordern, fördern die syrischen Rivalitäten. Dass Liberale und Säkulare, auch Frauen, in der Nationalen Koalition mehr Gewicht bekommen sollen, geht auf eine Forderung von außen zurück, namentlich Washington und Saudi-Arabien. Katar hält davon wenig. Saudi-Arabien, die theologisch gestützte Monarchie, hat zwar im eigenen Land mit Säkularismus und Frauenrechten nichts im Sinn, scheut aber Hilfen für die Beton-Islamisten. Schon einmal, in den Achtzigern, hat Saudi-Arabien militante Islamisten unter Osama bin Laden gestützt, in Afghanistan im Krieg gegen die Sowjetunion. Aber eben jener Bin Laden zog später in den Krieg gegen seinen früheren Gönner in Riad. Das soll in Syrien nicht noch einmal passieren.

Saudi-Arabien will die Liberalen im Bündnis stärken, Katar unterstützt die Muslimbrüder

Zudem sehen die Saudis den Einfluss der Muslimbrüder in der syrischen Opposition mit Misstrauen. Die Beziehungsgeschichte der machtbewussten politischen Islamisten und der Herrscher am Golf ist wechselhaft und unterscheidet sich von Königreich zu Königreich. Der im vergangenen Jahr gestorbene saudische Kronprinz Prinz Najew nannte die Muslimbrüder 2004 "die Quelle aller Probleme". Dass die Organisation 80 Jahre nach ihrer Gründung nun in Tunesien und Ägypten zum Nutznießer der jüngsten Volksaufstände geworden ist, die ewig geglaubte Herrscher hinweggefegt haben, macht sie in den Augen vieler Monarchen am Golf nur noch unheimlicher.

Die Katarer haben weniger Berührungsängste. Sie halfen den Muslimbrüdern bei der Neuformierung, nachdem Hafis al-Assad, der Vater des derzeitigen syrischen Präsidenten, sie Anfang der Achtzigerjahre fast zerschlug. Bis heute steht auf die Mitgliedschaft in der Muslimbruderschaft in Syrien die Todesstrafe. Gemeinsam mit den Türken förderten die Katarer in den vergangenen zwei Jahren die radikaleren Islamisten unter den syrischen Aufständischen, auch unter den Kämpfern, die sie über die türkische Grenze mit Geld und Waffen belieferten, während Saudi-Arabien und Amerika ihre Unterstützung über Jordanien schicken - einen der engsten Verbündeten Amerikas.

Schon öfter haben Personalfragen die Opposition an den Rand der Spaltung gebracht. Als Katar Mitte März den US-Manager Ghassan Hitto als Übergangspremier installierte, verließen einige Mitglieder aus Protest das Bündnis. Im aktuellen Streit haben sich wieder die Protegés der Katarer und der Muslimbrüder durchsetzen können. Vor allem Generalsekretär Mustafa al-Sabbagh gilt als Mann Katars und hartnäckiger Gegner jeder Erweiterung des Gremiums um Liberale.

Davon abgesehen aber liegt die arabische Schirmherrschaft der syrischen Rebellen nicht länger bei Katar, sondern bei Saudi-Arabien. Das Syrien-Dossier, so hatte Katar seinem Schützling Sabbagh nach Medienberichten beschieden, sei nun in den Händen der Saudis. Anfang Mai empfingen saudische Politiker erstmals eine Delegation der syrischen Opposition in Riad, auch den Vizechef der syrischen Muslimbrüder, Mahmud Faruk Tayfur. Dabei soll Tayfur den Saudis versprochen haben, die syrische Bruderschaft sei "definitiv anders als die ägyptische". Zwar ist die militärische Führung mehr Etikett als echte Befehls- und Kontroll-Hierarchie, aber auch sie orientiert sich nach Riad, in der Hoffnung auf mehr Waffen und mehr Geld.

Für das sunnitische Bollwerk Saudi-Arabien geht es um mehr als Ruhe in der Region: Dass schiitische Kämpfer aus Iran und die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah inzwischen offen für Assad ins Gefecht ziehen, verleiht dem Bürgerkrieg modellhafte Züge. Nicht nur in der umkämpften Kleinstadt Al-Kuseir, sondern in ganz Syrien könnte ein Stellvertreterkrieg zwischen Sunniten und Schiiten beginnen, der die Architektur der gesamten Region umzustürzen droht. Saudi-Arabien hat viel zu verlieren.

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SZ vom 28.05.2013
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