Süddeutsche Zeitung

Vatikan:Herr der Pfennige

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Es geht um Geld und Gier, die letzte Audienz mit dem Papst soll "laut" gewesen sein. Nun muss Kardinal Giovanni Angelo Becciu gehen, das teilt der Vatikan nüchtern mit. Dabei geht es wohl um dubiose Geschäfte.

Von Oliver Meiler, Rom

Die letzte Audienz mit Franziskus soll "laut" und "hart" gewesen sein, ein "Schocker" gar. So schildern es die italienischen Zeitungen, die in der Regel gut informiert sind über die Hergänge hinter dem vatikanischen Gemäuer. Der einst mächtige Kardinal der Heiligen, Giovanni Angelo Becciu, muss gehen - wegen einer profanen Geschichte um Geld und vielleicht auch um Gier. In der formalen Sprache des Bulletins des Heiligen Stuhls heißt es, der Papst habe den Rücktritt des Präfekten der Heiligenkongregation hingenommen und ihn von allen Rechten seines Kardinalsstandes enthoben. Wahrscheinlich war es eher ein Rauswurf.

Über die Gründe schweigen sich alle aus, doch viel Fantasie braucht es in diesem spektakulären Personalentscheid nicht. In den vergangenen zwei Jahrhunderten kam so etwas erst drei Mal vor, zwei Mal wegen Sexskandalen. Becciu wurden wohl ein Immobiliengeschäft in London und Zuwendungen mit Kirchengeld an seine drei Leibsbrüder Tonino, Francesco und Mario zum Verhängnis.

Die Finanzaffären gehen zurück auf die Zeit, als der Sarde noch als Nummer 2 im vatikanischen Staatssekretariat der Abteilung "Allgemeine Angelegenheiten" vorsaß. Berufen hatte ihn Benedikt XVI., Franziskus bestätigte ihn im Amt. Der frühere Nuntius galt als feiner und weitsichtiger Kopf, als Netzwerker. Franziskus, so heißt es, vertraute ihm blind. In Beccius Verantwortung fiel die Verwaltung der "Kasse der Päpste", etwa 700 Millionen Euro, die sich vor allem aus dem Peterspfennig nährte.

2014 investierte der Vatikan Hunderte Millionen Euro in eine ehemalige Lagerhalle des britischen Kaufhauses Harrods in London. Vermittelt hatte den überteuerten Kauf ein schillernder italienischer Financier, der Besitzer der Immobilie. Es sollten Luxuswohnungen entstehen, dafür also setzte Becciu das Geld für die Armen ein. Nach dem Brexit brach der Immobilienmarkt ein, in den Konten der Kirche klaffte ein riesiges Loch. Franziskus, der angetreten war, die Kirchenzentrale von Geschäftemachern zu säubern, sah sich mit einem neuen Skandal konfrontiert.

Die internen Ermittlungen wegen mutmaßlicher Korruption, Amtsmissbrauch, Erpressung, Unterschlagung und Geldwäsche begannen vor einem Jahr und sind nun fast abgeschlossen. Fünf hohe Beamte sind schon entlassen worden. Becciu beteuerte vor einem Jahr, es werde mit Schlamm nach ihm geworfen, er habe nur in Immobilien investiert, wie das der Vatikan immer getan habe. Doch Zweifel gab es schon vorher: 2018 machte ihn der Papst zum Kardinal und versetzte ihn an die Spitze der Heiligenkongregation. Was für Laien wie eine Beförderung aussah, war in Wahrheit eine Strafversetzung.

Brachten weitere Enthüllungen den Kardinal zu Fall?

Und offenbar war da noch mehr als der Immobiliendeal. Das Nachrichtenmagazin L' Espresso hat herausgefunden, dass der Kardinal einem seiner Brüder, der eine Kooperative für die Beherbergung von Migranten führt, 700 000 Euro aus den Kassen der Kirche zukommen ließ. Als Becciu Nuntius in Angola war, schanzte er einem anderen Bruder, der als Schreiner arbeitete, die Neuausstattung vieler Kirchen in dem Land zu. Einem dritten Bruder half er bei dessen Geschäft mit Bier.

Brachten etwa diese Enthüllungen des Espresso den Kardinal zu Fall? Das Heft hatte seine Titelgeschichte vorab etwas gestreut, sie soll erst am Sonntag herauskommen. Die zentralen Punkte sind nun bekannt - und das Cover. Man sieht darauf den Papst von hinten vor dunklem Hintergrund, dazu der Titel: "Jagt die Händler aus dem Tempel."

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SZ vom 26.09.2020
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