Süddeutsche Zeitung

USA und Russland:Eine Sanktionsliste, die keine ist

Lesezeit: 2 min

Von Julian Hans, Moskau, und Hubert Wetzel, Washington, Moskau/Washington

Die von der US-Regierung zusammengestellte Liste mit russischen Politikern und Unternehmern, die möglicherweise in Zukunft mit Sanktionen belegt werden, hat bei den Betroffenen in Moskau überwiegend Schulterzucken und Kopfschütteln ausgelöst. Präsident Wladimir Putin nannte das Vorgehen der USA zwar einen "unfreundlichen Akt", der die Beziehungen zwischen beiden Staaten komplizierter mache. Vorerst sehe Russland aber von Gegenmaßnahmen ab, vielmehr sei man an einer Verbesserung der Beziehungen interessiert.

Die gelassene Reaktion könnte daher rühren, dass US-Präsident Donald Trump darauf verzichtete, neue Sanktionen gegen die russische Rüstungsindustrie zu verhängen, wie ursprünglich vom US-Kongress gefordert. Die Liste zählt nur Personen auf, die für Sanktionen infrage kommen.

Das komplette Kabinett von Ministerpräsident Medwedjew wird bestraft

Veröffentlicht wurden die Namen von 114 Politikern und 96 Unternehmern. Die Liste ist noch länger, ein Teil wird aber geheim gehalten. Unter den Politikern auf der Liste ist fast die gesamte politische Führung in Moskau. Allein 43 Mitarbeiter des Kreml werden aufgeführt, dazu das komplette Kabinett von Ministerpräsident Dmitrij Medwedjew, der Leiter des russischen Sicherheitsrates, die Chefs mehrerer Geheimdienste, der Chef der Nationalgarde sowie der Chef des Generalstabs. Auch der russische Generalstaatsanwalt Jurij Tschaika, dem Verbindungen zur Mafia vorgeworfen wurden, steht auf der Liste.

Eine weitere Gruppe sind die Top-Manager großer Staatsunternehmen, darunter Gazprom-Chef Alexej Miller, der Chef des größten Erdölproduzenten Rosneft, Igor Setschin, sowie German Gref, der Chef von Russlands größter Bank, und Andrej Kostin, Chef der Außenhandelsbank VTB. Bei den 96 Unternehmern handelt es sich um jene Russen, die laut dem Wirtschaftsmagazin Forbes über ein Vermögen von zwei Milliarden Dollar und mehr verfügen.

Dass auch Personen wie Michail Fedotow auf der Liste auftauchen, der den Menschenrechtsausschuss beim russischen Präsidenten leitet, wurde selbst von Regierungskritikern mit Verwunderung aufgenommen. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Föderationsrat, Konstantin Kosatschow, erklärte, das Papier erwecke den Eindruck, als habe jemand das Telefonbuch des Kreml abgeschrieben. Tatsächlich ist sogar die Reihenfolge der Namen fast identisch mit der Reihenfolge, wie sie auf der Internet-Seite des Kreml aufgeführt werden.

Der US-Kongress hatte das Weiße Haus im vergangenen Sommer nahezu einstimmig per Gesetz verpflichtet, die russische Verteidigungsindustrie und deren Geschäftspartner mit Sanktionen zu belegen. Zudem sollte das Weiße Haus eine Liste vorlegen, auf der sämtliche russische Oligarchen aufgeführt sind, die dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nahestehen und dessen Macht festigen.

Das Parlament in Washington wollte Moskau auf diese Weise für die Einmischung in die US-Präsidentschaftswahl 2016 bestrafen. Die amerikanischen Geheimdienste sind überzeugt, dass Russland im Wahlkampf versucht hat, der Demokratin Hillary Clinton durch eine Desinformations- und Sabotagekampagne zu schaden und dem Republikaner Donald Trump zu helfen. Das erzürnte selbst republikanische Parlamentarier, die Trump unterstützen, und führte zu einer breiten Mehrheit für das Sanktionsgesetz.

Die vom Weißen Haus vorgelegte Liste entspricht kaum dem Geist des Gesetzes

Das Weiße Haus weigerte sich nun jedoch, die geforderten Sanktionen umzusetzen. Allein die Existenz des Gesetzes habe eine "abschreckende" Wirkung, Russlands Militärindustrie habe bereits Aufträge im Wert etlicher Milliarden verloren, so das US-Außenministerium. Auch die vom Weißen Haus vorgelegte Liste entspricht kaum dem Geist des Gesetzes. Politisch gesehen läuft das auf eine Missachtung des Kongresses durch das Weiße Haus hinaus.

Der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft rief dazu auf, die Kreml-Liste nicht überzubewerten. Die US-Regierung habe deutlich gemacht, dass sie keine neuen Sanktionen anstrebe. "Entsprechend gelassen sollte die russische Seite, aber auch die deutsche Wirtschaft darauf reagieren."

Im Vorfeld hatten Vertreter deutscher Unternehmen und Außenminister Sigmar Gabriel sich in Washington gegen neue Sanktionen stark gemacht. Es wurde befürchtet, dass Strafmaßnahmen etwa gegen Gazprom die Pläne für einen zweiten Strang der Gaspipeline Nord Stream gefährden könnten, die mehr russisches Erdgas durch die Ostsee nach Deutschland bringen soll. An dem Projekt sind die deutschen Unternehmen Uniper (ehemals Eon) und Wintershall beteiligt. Vorsitzender des Verwaltungsrats ist der ehemalige Bundeskanzler und SPD-Chef Gerhard Schröder.

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SZ vom 31.01.2018
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