Süddeutsche Zeitung

US-Präsident Trump und Maskenpflicht:Parade der Waschlappen

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US-Präsident Trump machte die Maskenpflicht zur ideologischen Frage - das gab jenen Auftrieb, die darin eine "medizinische Tyrannei" sehen. Doch angesichts explodierender Infektionszahlen schwenken prominente Republikaner um.

Von Reymer Klüver

So weit hat sich in dieser Pandemie noch kaum ein Republikaner vorgewagt, zumindest keiner in einem hochrangigen politischen Amt. Am Dienstag kündigte Miamis Bürgermeister Francis Suarez die Einrichtung einer Corona-Einheit bei der Polizei der Millionenmetropole an. 39 Frauen und Männer in Uniform werden künftig ausschließlich darüber wachen, dass die Menschen in Miami in der Öffentlichkeit Mundschutz tragen. "Das Einzige, was sie tun sollen, ist die Maskenpflicht durchzusetzen", dekretierte Suarez und schlug sich damit auf die Seite derer, die dem Todeszug des Virus in den USA mit staatlichem Zwang begegnen wollen. Ein hochpolitischer Akt in Amerika, der für einen Republikaner einiges Risiko in sich birgt.

Auch die großen Supermarkt- und Baumarktketten von Walmart bis Home Depot verlangen seit ein paar Tagen von ihren Kunden, Mundschutz zu tragen. Der deutsche Aldi-Konzern war Mitte Juni einer der ersten, der in seinen US-Filialen Masken zur Pflicht machte. Dass sich die Unternehmen so lange davor gedrückt hatten, ist das Ergebnis der unglaublichen Politisierung dieser Frage in den USA. In den vergangenen Monaten war die Maske zu einem ideologischen Fetisch geworden. Mundschutz zu tragen - oder ihn vielmehr demonstrativ zu verweigern - wurde zu einem politischen Ersatz-Glaubensbekenntnis, gefördert und betrieben von niemand anderem als dem amerikanischen Präsidenten selbst.

Donald Trump hat es bis vor Kurzem nie für nötig gehalten, Mundschutz zu tragen. Erst am 11. Juli ließ er sich beim Besuch eines Militärkrankenhauses zum ersten Mal mit Maske fotografieren, fast ein halbes Jahr, nachdem das Virus das erste Mal in den USA festgestellt wurde.

Schon früh gab es Demos aggressiver Maskenverweigerer

Trump machte sich im Gegenteil gerne über Maskenträger lustig, vorneweg über seinen demokratischen Herausforderer Joe Biden, der sich bei öffentlichen Auftritten konsequent ein Tuch vor Mund und Nase bindet. Umfragen zeigen, dass nicht wenige weiße Männer, zumal Republikaner, Maskenträger noch immer für wimps, für Waschlappen, halten. Vor allem aber machte Trump die Sache zu einer ideologisch aufgeladenen Frage.

Jeder müsse die Freiheit haben, Masken zu tragen oder nicht, niemand solle per staatlicher Verordnung dazu gezwungen werden. Damit hatte er die Empfehlung seiner Seuchenschutz-Experten zu einer politischen Grundsatzfrage stilisiert - und Positionen gefördert, die bis dahin eher am rechten Rand zu finden waren. Denn schon früh gab es Demos aggressiver Maskenverweigerer. Sie beklagten die angebliche Beschränkung ihrer in der Verfassung garantierten Freiheitsrechte und lamentierten über "medizinische Tyrannei". In Supermärkten, die eine Maske verlangten, schleuderten manche Obst und Gemüse aus den Auslagen in die Gänge.

Viele republikanische Gouverneure und Kommunalpolitiker folgten zunächst ergeben den Vorgaben des Präsidenten. Manche empfahlen zwar Masken, aber scheuten vor staatlichen Verordnungen zurück. Unter dem Eindruck der in extreme Höhen schnellenden Fallzahlen deutet sich nun aber ein Sinneswandel an. Inzwischen haben 28 Gouverneure die Maskenpflicht eingeführt - selbst in bisherigen republikanischen Stammlanden wie Texas, Kansas oder Alabama.

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SZ vom 23.07.2020
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