Süddeutsche Zeitung

US-Wahl:Clinton gegen Trump - Duell vor 100 Millionen Zuschauern

Lesezeit: 3 Min.

Von Sacha Batthyany

Wenn sich Hillary Clinton und Donald Trump an diesem Montag in der Hofstra University in New York erstmals gegenüberstehen, werden sich die Amerikaner vor ihren Fernsehern versammeln, wie sonst beim Super Bowl. Die Einschaltquoten werden rekordverdächtig, 100 Millionen Menschen sollen es werden. Beinahe jeder Dritte im Land wartet gespannt darauf, wie Trump seine Konkurrentin Clinton bedrängt, wie die Ex-Außenministerin seine Attacken pariert und wie Journalisten am Ende den Gewinner küren. Das ist beim Super Bowl nicht unähnlich.

Die erste TV-Debatte markiert den bisherigen Höhepunkt dieses Wahlkampfes, der vor eineinhalb Jahren begann, als Trump seine Kandidatur bekannt gab. Was danach folgte, wird als einer der schrillsten Vorwahlkämpfe in die Geschichte der USA eingehen, in dem Trump die persönliche Attacke, die Beleidigung und Häme erfolgreich zum politischen Stilmittel erhob und die übrigen republikanischen Kandidaten damit infizierte.

Am Ende waren sich gewisse Herren nicht einmal zu schade dafür, die Größe ihrer Geschlechtsteile zu vergleichen. Ein seriöser Diskurs war längst nicht mehr möglich, auch weil all die Lügen ohne Konsequenzen blieben. Ob man mit Trump 90 Minuten lang seriös diskutieren kann, wird sich am Montag zeigen. Es gilt aber als eher unwahrscheinlich.

Trump gegen Clinton, das ist ein Zusammentreffen zweier ungleicher Kandidaten, die aber eines gemeinsam haben: Sie sind seit Jahrzehnten landesweit bekannt, bei den Wählern ihrer Lager aber gleichermaßen unbeliebt. Trotz aller Bemühungen, ihr Image aufzupolieren, schaffte es Clinton nicht, Vertrauen aufzubauen und Begeisterung zu entfachen.

Die Amerikaner schließen sich ihr nicht gerne an. Clinton ist selten erste Wahl, sondern meist Ultima Ratio. Die Affäre um den Gebrauch eines privaten E-Mail-Servers belastet sie, ihre langjährige Erfahrung als First Lady, Senatorin und Außenministerin ist nicht viel wert in einem Land, das nach Wandel schreit und auf altbekannte Namen wenig gibt.

Umfragestand nach Wahlmännern

Zweifellos ist Clinton für das Präsidentenamt besser qualifiziert als ihr dünnhäutiger Herausforderer, der sich damit brüstet, noch keinen Tag ein politisches Amt ausgeübt zu haben. Doch das macht Clinton nicht zur besseren Kandidatin.

Der Montagabend wird ein Abend der Kontraste mit offenem Ausgang. Trump, der Politnovize, antwortet auf komplexe Fragen gerne in Tweet-Länge, weil er sich wenig für Details interessiert, dafür viel weiß über die Aufmerksamkeitsspanne der Zuschauer. Clintons polierte Sätze indes wirken oft dröge und einstudiert.

Landesweite Umfragen: Clinton (blau) gegen Trump (rot)

Trump gegen Clinton, das ist vor allem auch ein Ringen um die Deutungshoheit über den Zustand des Landes. Clintons Amerika ist das buntere Amerika, ein Land noch immer voller Möglichkeiten. Sie vertritt die optimistischere Sicht auf die USA. Trump dagegen wittert überall nur Gefahr, preist den amerikanischen Alleingang, wiederholt in allen Varianten, wie die USA vor die Hunde gehen, und schürt Ressentiments gegen Latinos und Muslime. Trump zettelt einen Klassenkampf an zwischen der weißen Arbeiterschicht und der besser verdienenden Elite, die für Globalisierung und Weltoffenheit steht. Clinton dagegen - ja, was eigentlich? Sie war in ihrer langen Politkarriere schon für und gegen so vieles, dass man längst den Überblick verloren hat. Sie ist die unfassbarere der beiden.

Sicher ist, dass es politisch wohl ertragreicher ist, die Verängstigten um sich zu scharen, als mit Optimismus zu punkten in diesen Zeiten, da Dampfkochtöpfe in Manhattan explodieren und ein selbsternannter "Soldat des Islamischen Staates" in einem Einkaufszentrum in Minneapolis neun Menschen verletzt. Nur so ist es zu erklären, warum Trump in den Umfragen wieder aufgeholt hat, nachdem er im Juli in vielen sogenannten Swing States noch weit zurücklag.

Wie sehr Fernsehdebatten indes die Wahlen entscheiden, ist umstritten. Natürlich, es gibt die berühmten Szenen: der schwitzende Richard Nixon gegen den braun gebrannten John F. Kennedy 1960; es gab den Patzer von Michael Dukakis 1988, als er auf die Frage, ob er für die Todesstrafe sei, wenn seine Frau vergewaltigt und ermordet würde, ganz emotionslos antwortete: "Nein, das bin ich nicht." Aber war das für die damalige Wahl von George Bush entscheidend? Wohl kaum.

Wahlen gewinnt man nicht am Fernsehen, auch wenn dies den Amerikanern gerne unterstellt wird. Clinton und Trump sind bei den Wählern so unbeliebt, dass sie das 100-Millionen-Publikum während dieses politischen Super Bowls (den die ARD am Dienstagmorgen von 2.55 Uhr an überträgt) nicht mit einem einzigen Auftritt von sich überzeugen werden. Für viele Amerikaner steht nicht die Frage im Zentrum, wer der bessere Kandidat, sondern wer das kleinere Übel ist.

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Quelle:
SZ vom 24.09.2016
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