Süddeutsche Zeitung

US-Wahl 2020:Nur Siegen ist leicht

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Die Wahl verläuft für den US-Präsidenten zunächst besser als von vielen vorhergesagt. Doch nicht so gut, wie Trump in der Wahlnacht behauptet: Über den denkwürdigen Auftritt des US-Präsidenten - nach dem sich viele Fragen stellen.

Von Thorsten Denkler, Milwaukee/Wisconsin

"Danke, danke", sagt Donald Trump gleich am Anfang seines knapp zehnminütigen Auftritts tief in der Nacht, als ihm seine Familie und Mitarbeiter im Weißen Haus Beifall spenden. Das nächste Danke, vom Podium herab, gilt dem amerikanischen Volk für die "überragende Unterstützung" bei dieser Wahl.

Dann geht der US-Präsident in die Offensive: "Eine sehr traurige Gruppe von Menschen versucht, dieser Gruppe von Menschen ihre Rechte zu nehmen", sagt er. "Und das werden wir uns nicht gefallen lassen." Wieder Applaus.

Die Wahlnacht ist anders gelaufen, als viele es erwartet hatten. Zumindest nach den Umfragen der vergangenen Woche besteht für Trump und seine Republikaner aber wenig Grund zur Unzufriedenheit. Das Rennen ist enger, als manche Optimisten sich das erhofft haben. Er hat Florida gewonnen, Texas gewonnen und bis auf Arizona, das möglicherweise an seinen Herausforderer Joe Biden fällt, erst mal keine weiteren Staaten verloren, die er 2016 geholt hatte.

Noch aber steht das Ergebnis nicht fest. Die wohl entscheidenden Swing States Wisconsin, Michigan und Pennsylvania sind weit davon entfernt, einen Sieger benennen zu können. Das kann womöglich noch Tage dauern.

So viel Geduld scheint Trump offenbar nicht aufbringen zu wollen. "Wir waren doch schon dabei rauszugehen und etwas zu feiern, das so schön und so gut ist", sagt er. "So eine Wahl, so ein Erfolg." Er zählt auf, wo er überall gesiegt hat. In Texas, in Florida. "Und es ist doch auch klar, dass wir in Georgia gewonnen haben", sagt er. Was zu diesem Zeitpunkt nicht so klar ist.

Trump fährt fort: "Wir haben Pennsylvania gewonnen mit einem ungeheuren Vorsprung." Und da jubeln seine Anhänger, stehen auf, klatschen, johlen, als gäbe es da gar keinen Zweifel. Dabei wird in dem Bundesstaat womöglich noch Tage gezählt werden müssen wegen der Millionen von Briefwahlstimmen. Richtig ist: Trump führt dort derzeit nach Lage der bisher ausgezählten Stimmen. Aber Bidens Anhänger haben in großer Zahl die Briefwahl genutzt. Diese Stimmen fehlen noch in der Rechnung. Sie könnten Biden zum Sieg tragen. Oder auch nicht. Die Entscheidung steht eben noch aus.

Wo Trump Unregelmäßigkeiten sieht, wird nicht klar

Trump sagt außerdem, er habe Michigan gewonnen. Was bisher auch nicht der Fall ist. Dann behauptet er: "Sie wussten, dass sie nicht gewinnen können, und schicken uns vor Gericht." Und erklärt: "Dies ist ein Betrug an der amerikanischen Öffentlichkeit. Das ist eine Peinlichkeit für unser Land. Wir waren bereit, diese Wahl zu gewinnen. Ehrlich gesagt: Wir haben diese Wahl gewonnen." Und er kündigt an, vor das höchste Gericht, den Supreme Court, zu ziehen, damit ausstehende Stimmen nicht gezählt werden. Wobei nicht klar wird, wo genau er anklagenswerte Unregelmäßigkeiten sieht. Es kommt bei US-Wahlen ja häufiger vor, dass der Sieger nicht unbedingt in der Wahlnacht schon feststeht.

Genau dieses Szenario haben viele vorhergesagt. Das Rennen ist knapp, Trump geht scheinbar in Führung - aber die Auszählung der Briefwahlstimmen steht noch aus, die alles zu Gunsten von Biden drehen könnten. Und Trump verkündet schon mal seinen Sieg. Warum er das macht? Womöglich hat er die Antwort selbst gegeben, als er am Dienstag ein letztes Mal das Hauptquartier seiner Wahlkampagne besuchte. Siegen sei leicht, sagte er da. "Verlieren ist niemals leicht. Nicht für mich." Aber wer weiß, vielleicht gewinnt er ja tatsächlich.

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