Süddeutsche Zeitung

US-Vorwahl:John Kasich: Erster hinter Trump

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Von Matthias Kolb, Manchester (New Hampshire)

Als John Kasich im Sommer seine Kandidatur für das Weiße Haus bekannt gab und die ersten Wahlkampf-Auftritte in New Hampshire absolvierte, beschrieb er seine Lage recht passend: "Zu den Dingen, die mich wirklich frustrieren, gehört, dass ihr mich nicht gut genug kennt", sagte er in Derry.

Lange Zeit hatten die US-Amerikaner den 63-jährigen Republikaner nicht wirklich wahrgenommen, obwohl er an allen TV-Debatten teilnahm und dem Anti-Politiker Donald Trump stets Paroli bot. Doch plötzlich fragen sich die politisch Interessierten im Land: Wer ist dieser Kerl, der in New Hampshire auf dem zweiten Platz gelandet ist und dabei den zuletzt so gehypten Marco Rubio und den Präsidentensohn Jeb Bush hinter sich gelassen hat?

John Kasich ist seit 2010 Gouverneur von Ohio und moderierte von 2002 bis 2007 eine Sendung bei Fox News. Dass er 18 Jahre lang als Abgeordneter im Repräsentantenhaus saß und auch für die Bank Lehman Brothers arbeitete, macht ihn in diesen unruhigen Zeiten für viele wütende Konservative unwählbar. Doch unabhängige Wähler wie Susan Parker aus Greenland mögen genau das an Kasich: "Niemand ist so erfahren. Er kennt den Kongress und hat Regierungserfahrung."

Was Kasich aber von fast allen republikanischen Kandidaten unterscheidet, ist sein Optimismus. Als er am Wochenende nach der TV-Debatte kurz vor etwa 200 Freiwilligen auftrat, um sich für deren Hilfe zu bedanken, rief er: "Wir können mit einer optimistischen Botschaft gewinnen." Ähnlich äußerte er sich am Abend der Vorwahl. Trotz aller Negativ-Attacken seiner Konkurrenten sei seine Botschaft angekommen. So habe das "Licht die Dunkelheit (der amerikanischen Politik) überwunden."

Als Wahlkämpfer hat Kasich 70 Tage in New Hampshire verbracht und sich in 106 Townhall-Veranstaltungen den Fragen der Bürger gestellt. Im Gegensatz zu Jeb Bush ist Kasich, der Sohn eines Briefträgers, herzlicher und zupackender. Ihm glaubt man eher, wenn er dazu aufruft, den Nachbarn und Kollegen mehr zuzuhören, damit die Gesellschaft menschlicher werde. "Wir wollen nicht, dass jemand auf der Strecke bleibt", sagt der 63-Jährige oft.

Er ist auch neben Bush der Einzige, der den Vorschlägen von Cruz und Trump direkt widerspricht. Es gehört mittlerweile Mut dazu, als Republikaner in der Diskussion über die elf Millionen illegalen Migranten, die viele Konservative aus dem Land haben wollen, Folgendes zu sagen: "Das ist keine durchführbare Lösung und widerspricht unseren Werten." In Kasichs Augen ist es falsch, Eltern abzuschieben, deren einziges Verbrechen es sei, illegal die Grenze überschritten zu haben: "Sie sollen Steuern zurückzahlen und sich neu um einen Pass bewerben."

"Wir sind zuerst Amerikaner, dann Republikaner oder Demokraten"

Kasich verweist gern darauf, dass er als Abgeordneter dazu beigetragen habe, dass die USA in den neunziger Jahren einen ausgeglichenen Haushalt hatten. Auch in Ohio hat er Schulden abgebaut. Für ihn ist es selbstverständlich, dass Total-Opposition à la Ted Cruz nichts bringt. Man müsse mit dem politischen Gegner kooperieren: "Wir sind zuerst Amerikaner, dann Republikaner oder Demokraten."

Seinen Anhängern rief er am Wahlabend einen Spruch zu, der schon bei der Wahlparty gut ankam: "Wenn ich Präsident werde, kauft euch am besten einen Sicherheitsgurt, denn allein in den ersten 100 Tagen wird unglaublich viel passieren."

Mit seinem Erfolg in New Hampshire hat sich Kasich als moderate, vernünftige Alternative etabliert und dürfte genug Spenden bekommen, um in South Carolina und Nevada dabeibleiben zu können. Leicht wird es nicht: Gerade in South Carolina sind die Republikaner viel konservativer als es Kasich ist. Und die Konkurrenten Cruz, Rubio und Bush haben dort eine bessere Organisation aufgebaut.

Doch der Optimist John Kasich glaubt weiter an seine Chance - und nun dürften die TV-Zuschauer genauer zuhören, wenn er sich in den TV-Debatten zu Wort meldet. Die nächste findet schon am Samstag statt.

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