Süddeutsche Zeitung

Richter am Supreme Court hört auf:Trumps große Chance

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Von Hubert Wetzel, Washington

In den USA bahnt sich ein erbitterter Kampf zwischen Republikanern und Demokraten um die künftige politische Ausrichtung des Verfassungsgerichts an. Der einflussreichste Richter am Obersten Gerichtshof in Washington, Justice Anthony Kennedy, erklärte am Mittwoch seinen Rücktritt. Für US-Präsident Donald Trump und die Republikaner eröffnet sich damit die Möglichkeit, mit einem entsprechenden Nachfolgekandidaten dem konservativen Flügel in dem Gericht dauerhaft eine Stimmenmehrheit zu verschaffen. Die Demokraten werden genau das zu verhindern versuchen und einen heftigen Abwehrkampf führen.

Der Supreme Court überprüft Gesetze auf ihre Verfassungsmäßigkeit. Das ist eine juristische Tätigkeit, die jedoch enorme politische Folgen hat. Das Gericht hat in den vergangenen Jahrzehnten viele gesellschaftliche Streitfragen entschieden, welche das zerstrittene Parlament nicht lösen konnte - vom Ende der Rassentrennung in Schulen über die Legalisierung von Abtreibung und Homo-Ehe bis hin zur fast völligen Freigabe des Waffenbesitzes.

Vor einigen Tagen bestätigte das Gericht das umstrittene Einreiseverbot, das Trump gegen die Bürger mehrerer muslimischer Staaten verhängt hatte. Wie die Urteile ausfallen, hängt auch wesentlich von der politischen und ideologischen Prägung der neun Verfassungsrichter ab, die vom Präsidenten vorgeschlagen und vom Senat auf Lebenszeit bestätigt werden.

Kennedys Stimme war bei sehr vielen Urteilen die entscheidende. Der 81-Jährige ist seit 1988 Verfassungsrichter, er wurde einst von Präsident Ronald Reagan für das Amt nominiert. Im Gegensatz zu seinen acht Kolleginnen und Kollegen, gehörte er jedoch keinem ideologischen Lager fest an.

Kennedys Einfluss auf Urteile war kaum zu überschätzen

So kam es dazu, dass in vielen politisch aufgeladenen Fällen Kennedy den Ausschlag gab: Mal stimmte er mit den vier liberalen Richterinnen und Richtern (Ruth Bader Ginsburg, Elena Kagan, Stephen Breyer, Sonia Sotomayor), etwa bei der Legalisierung der Homo-Ehe; mal stand er auf der Seite seiner vier konservativen Kollegen (John Roberts, Samuel Alito, Clarence Thomas, Neil Gorsuch), zum Beispiel bei Trumps Einreiseverbot. In den meisten Fällen, in denen das Gericht in den vergangenen Jahren 5:4-Entscheidungen traf, hing der Ausgang von Kennedy ab, sein Einfluss auf Urteile des Supreme Court war daher kaum zu überschätzen.

Wenn Trump Kennedy nun durch einen konservativen Richter ersetzen sollte, würde das die Machtbalance im Gericht dauerhaft und zuverlässig nach rechts verschieben. Trump hat zu Beginn seiner Amtszeit bereits den Konservativen Gorsuch als neuen Richter durchgesetzt, dieser übernahm jedoch nur den Posten des verstorbenen Richters Antonin Scalia, ebenfalls ein Konservativer. Damit wurden die Fronten nicht grundsätzlich verschoben.

Das ist nach Kennedys Rücktritt anders, Trump hat seinen Wählern versprochen, Amerikas Gerichte konservativer zu machen, und Ernennungen wie die von Gorsuch zählen für die Anhänger des Präsidenten zu dessen wichtigsten Erfolgen. Eine weitere Gelegenheit, die Parteibasis zu motivieren, wird Trump sich nicht entgehen lassen. Die Demokraten können politisch gegen einen Trump-Kandidaten kämpfen, ihn aber nicht verhindern: Ihnen fehlen die Stimmen im Senat.

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Quelle:
SZ vom 28.06.2018
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