Süddeutsche Zeitung

Unionsfraktion lehnt FDP-Vorschlag ab:Kauder gegen Streichung der Praxisgebühr

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Neuer Streit in der Koalition: Die Liberalen wollen die Praxisgebühr abschaffen, die Union ist strikt dagegen. Fraktionschef Kauder bevorzugt eine Beitragssenkung.

Nico Fried und Robert Roßmann

Die Unionsfraktion hat Forderungen aus der FDP nach einer Abschaffung der Praxisgebühr am Freitag klar widersprochen. Die umstrittene Abgabe bleibt deshalb erhalten. Fraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte der Süddeutschen Zeitung, es sei erfreulich, "dass dank der guten wirtschaftlichen Entwicklung die gesetzlichen Krankenkassen derzeit Überschüsse verzeichnen". Vorrangiges Ziel der Politik müsse es aber sein, die Finanzierung des Gesundheitssystems dauerhaft zu stabilisieren. Wegen der Bevölkerungsentwicklung stünden die Kassen in den kommenden Jahren vor großen Herausforderungen.

Die Zahl der Beitragszahler wird sinken, die Ausgaben werden wegen der zunehmenden Zahl Älterer wahrscheinlich steigen", sagte Kauder. Deshalb sei es "fehl am Platz, vor diesem Hintergrund nun über eine Streichung der Praxisgebühr nachzudenken".

Das FDP-geführte Gesundheitsministerium prüft derzeit die Kosten einer Abschaffung der Praxisgebühr von zehn Euro. In der vergangenen Woche hatten sich die Fachpolitiker der Liberalen-Fraktion gegen die weitere Erhebung der Abgabe ausgesprochen. Dadurch solle den Versicherten etwas von den Mehreinnahmen der Kassen zurückgegeben werden, sagte der gesundheitspolitische Sprecher, Heinz Lanfermann. Die Gebühr sei zudem "überholt" und zu bürokratisch. Anlass der Debatte waren Meldungen, wonach die Kassen über Rücklagen in Höhe von 19,5 Milliarden Euro verfügen.

Kauder wies die Kritik der FDP am Freitag entschieden zurück. Die Gebühr trage dazu bei, dass die Kassen auf einem soliden finanziellen Fundament stünden, sagte der Fraktionschef. "Falls überhaupt Spielräume vorhanden sind, sollte eine Senkung des Beitrags erwogen werden." Denkbar sei eine Kürzung um "0,1 Prozent, aber auch dies sollte genau geprüft werden". Anfang vergangenen Jahres hatte die Koalition den Beitragssatz zur Krankenversicherung von 14,9 auf 15,5 Prozent erhöht.

In der Union gibt es seit dem Verhalten der FDP bei der Nominierung von Joachim Gauck als Präsidentschaftskandidaten keine große Bereitschaft mehr, auf Forderungen des Koalitionspartners einzugehen. Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn, griff die Liberalen sogar offen an: "Die FDP will sich mit zehn Euro wieder auf zehn Prozent kaufen." Neben der Debatte über die Praxisgebühr gibt es in der Koalition derzeit auch Streit über den Mindestlohn, die Vorratsdatenspeicherung, das Urheberrechtsabkommen Acta und die Reform der Pflegeversicherung.

Die Praxisgebühr war 2004 von der rot-grünen Bundesregierung eingeführt worden. Seitdem werden bei Arztbesuchen zehn Euro pro Quartal erhoben. Wer innerhalb der drei Monate von einem Mediziner zum anderen überwiesen wird, muss den Betrag nicht erneut zahlen. Davon ausgenommen sind Besuche beim Zahnarzt. Bei reinen Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen oder bei Schutzimpfungen entfällt die Gebühr.

Im vergangenen Jahr nahmen die Kassen durch die Gebühr knapp zwei Milliarden Euro ein. Ziel der Abgabe war bei ihrer Einführung vor allem eine Senkung der Zahl unnötiger Arztbesuche. Mehrere Studien haben inzwischen jedoch gezeigt, dass dieser von der Politik erhoffte Effekt nicht eingetreten ist.

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Quelle:
SZ vom 10.03.2012
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