Süddeutsche Zeitung

Krieg in der Ukraine:"Ein Versuch, ein Nord- und Südkorea in der Ukraine zu schaffen"

Lesezeit: 2 min

Laut dem Chef des Militärgeheimdiensts in Kiew strebt Moskau an, die Ukraine in zwei Teile zu spalten. Der ukrainische Präsident Selenskij fordert den Westen auf, endlich Panzer und Kampfflugzeuge zu liefern.

Die Ukraine und Russland haben nach ukrainischen Angaben zwei "humanitäre Korridore" vereinbart, um Zivilisten am Sonntag aus den Frontgebieten zu evakuieren. Dazu gehöre auch, dass Menschen mit Privatautos die besonders umkämpfte südöstliche Hafenstadt Mariupol verlassen können, sagte die ukrainische Vize-Ministerpräsidenten Iryna Wereschtschuk. Mariupol ist von russischen Einheiten eingekesselt und seit Wochen schwerem Beschuss ausgesetzt. Die Ukraine und Russland haben sich zuletzt immer wieder gegenseitig vorgeworfen, die Einrichtung von Fluchtkorridoren für Zivilisten zu verhindern.

Der Generalstab der ukrainischen Streitkräfte erklärte, Russland habe seine "bewaffnete Aggression in vollem Umfang" fortgesetzt. Allerdings hätten die ukrainischen Streitkräfte sieben Angriffe in den östlichen Regionen Donezk und Luhansk zurückgeschlagen. Dabei hätte sie mehrere Panzer und gepanzerte Fahrzeuge zerstört. Der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums sagte am Sonntag in Moskau, insgesamt seien in der Ukraine binnen 24 Stunden 67 Militärobjekte zerstört worden. Die Angaben über die Kämpfe in der Ukraine können nicht unabhängig überprüft werden.

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij forderte westliche Staaten auf, schwere Waffen zu liefern. "Wir warten bereits seit 31 Tagen. Wer hat eigentlich das Sagen in der euro-atlantischen Gemeinschaft? Ist es wirklich immer noch Moskau, weil es auf Einschüchterung setzt?" sagt Selenskij in einer Videoansprache am späten Samstagabend. Kiew brauche Panzer, Kampfflugzeuge und Schiffsabwehrsysteme. "Das alles ist nicht nur für die Freiheit der Ukraine, sondern für die Freiheit Europas."

Prorussische Separatisten wollen Referendum

Die prorussischen Separatisten im umkämpften Gebiet Luhansk im Osten der Ukraine wollen über einen Beitritt der Region zu Russland abstimmen lassen und erhöhen damit den Druck auf Kiew. "Ich denke, dass in nächster Zeit auf dem Gebiet der Volksrepublik ein Referendum durchgeführt wird, auf dem das Volk sein absolutes verfassungsmäßiges Recht wahrnehmen wird und seine Meinung sagt zu einem Beitritt zur Russischen Föderation." Das sagte der Luhansker Separatistenführer Leonid Passetschnik der Staatsagentur Tass zufolge am Sonntag.

Russland hatte im Februar gegen den Protest der Ukraine und des Westens die abtrünnigen Gebiete Luhansk und Donezk als Staaten anerkannt. Am 24. Februar hatte der russische Präsident Wladimir Putin auf Bitten der selbsternannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk zum Schutz vor der ukrainischen Armee den Befehl zu einer "Militäroperation" gegeben.

Russland will nach Darstellung des ukrainischen Militärgeheimdienstes die Ukraine in zwei Teile spalten. So wolle Russland eine von der Regierung in Moskau kontrollierte Region schaffen, nachdem es nicht gelungen sei, das ganze Land einzunehmen, sagt Geheimdienstchef Kyrylo Budanow. "In der Tat ist dies ein Versuch, ein Nord- und Südkorea in der Ukraine zu schaffen", sagte er. Die Ukraine werde bald einen Guerillakrieg in den von Russland besetzten Gebieten beginnen.

Nach ukrainischer Darstellung versuchen sich die russischen Angreifer in der Ukraine wegen ihrer schweren Verluste umzugruppieren. Deshalb seien auch viele russische Verbände in Belarus in Bewegung, teilte der ukrainische Generalstab in seinem Bericht am Sonntag mit. Ziel sei es, geschrumpfte Verbände abzulösen, Nachschub an Lebensmitteln, Treibstoff und Munition zu liefern sowie verwundete und kranke Soldaten abzutransportieren. Auch diese Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Zugleich hieß es: "Der Feind setzt seine umfassende bewaffnete Aggression gegen die Ukraine fort." Russische Truppen versuchten weiter, die Stadt Tschernihiw im Norden einzunehmen. Im Südosten dauerten die Kämpfe um die Städte Rubischne, Sjewjerodonezk und Mariupol an.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5555577
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.