Süddeutsche Zeitung

Ukraine-Krise:Putin, das Zwitterwesen

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Bringt ein Runder Tisch die Lösung der Ukraine-Krise? Dialog ist grundsätzlich eine gute Idee. Doch gegen Wladimir Putins Widerstand wird es nicht funktionieren.

Ein Kommentar von Daniel Brössler

Noch ist die Ukraine nicht verloren. Es gibt nun einen Plan, der einen Ausweg in letzter Minute zu weisen scheint. Er sieht Entwaffnung, Gewaltverzicht, Dialog und Wahlen vor. Der Schweizer Präsident Didier Burkhalter hat ihn vorgelegt, und die Europäische Union hat ihn begrüßt. Nach dem Plan würden erst einer und dann viele runde Tische das Land zunächst beruhigen und dann befrieden. Das könnte eine Lösung sein. Könnte.

Grundsätzlich richtig ist das Vorhaben, die Konfliktparteien zu einem Dialog, also an einen runden Tisch zu bewegen. Am runden Tisch ist in der DDR und anderswo der friedliche Übergang von der Diktatur zur Demokratie geglückt. Er ist Sinnbild der Vernunft - und Ausdruck der Hoffnung, dass es immer eine gewaltfreie Lösung geben kann. Für den Erfolg solcher Gespräche bedarf es allerdings eines Minimalkonsenses. Für alle Seiten muss ein Kompromiss zumindest denkbar sein. Das ist die Frage: Wer soll und kann in der Ukraine welchen Kompromiss schließen?

Es ist dies eine Frage, die sich hauptsächlich an Russlands Präsidenten Wladimir Putin richtet. Er ist das große Zwitterwesen im Ukraine-Konflikt. Vor der Weltgemeinschaft geriert er sich als Staatsmann, der sich an die Seite bedrängter Menschen im Osten der Ukraine stellt. Im Nachbarland selbst aber spielt er die Rolle des Anstifters und Agitators. Den bewaffneten Aufstand hat er mindestens provoziert und vermutlich auch organisiert.

Friedensversprechen aus dem Kreml sind bisher wenig wert

Die Schwierigkeit bei der Umsetzung des Friedensplans der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wird darin bestehen, in welcher Rolle der Kreml-Chef ihm entgegentritt. Die bisherige Erfahrung lässt vermuten, dass der Staatsmann Putin ihm mit Wohlwollen begegnet. Mit ebensolchem hatte Putin ja den amtierenden OSZE-Vorsitzenden Burkhalter in der vergangenen Woche auch in Moskau empfangen - und eine Verschiebung des Referendums empfohlen.

Was Empfehlung wie Wohlwollen wert waren, zeigt nun aber nicht nur der Umstand, dass die Separatisten die Farce einer Volksbefragung dennoch durchgeführt haben. Auch der Respekt, den die russische Regierung dem illegalen Referendum zollte, spricht eine deutliche Sprache. Zu befürchten ist ein vergleichbares Schicksal des Burkhalter-Plans. Wenn Putin ihn offiziell unterstützt, heißt das noch nicht, dass er auch nur einen Finger rührt für die Entwaffnung der Separatisten.

Es geht eben nicht nur darum, ob am runden Tisch ein Kompromiss in der Ukraine möglich ist, sondern immer auch darum, ob er im Interesse von Wladimir Putin läge. Alle Bemühungen des Westens zielen darauf ab, dass am 25. Mai Präsidentenwahlen in der ganzen Ukraine stattfinden können und so eine legitime und allseits anerkannte Führung an die Spitze des Landes tritt. Selbst wenn der Staatsmann Putin - angesichts westlicher Drohungen mit Wirtschaftssanktionen - diesem Ziel doch noch Lippenbekenntnisse schenken sollte, wird der Brandstifter kaum aufhören damit, es zu hintertreiben.

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Quelle:
SZ vom 13.05.2014
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