Süddeutsche Zeitung

Ukraine-Konflikt:Gefangenenaustausch lässt hoffen

Lesezeit: 2 min

Von Frank Nienhuysen, München

Die ukrainische Regierung und Vertreter der separatistischen Gebiete haben am Sonntag etwa 200 Gefangene ausgetauscht und Hoffnung auf weitere Fortschritte in dem jahrelangen Konflikt ausgelöst. Kiew übergab nach Angaben der Separatisten mehr als 120 Gefangene, die von Russland unterstützten sogenannten "Volksrepubliken" Luhansk und Donezk ließen nach einer Erklärung des ukrainischen Präsidialamtes 76 Personen frei.

Die russische Nachrichtenagentur Interfax meldete, dass neun Gefangene sich geweigert hätten, zurück auf das Luhansker Separatistengebiet zu gehen. Zwei Personen hätten wiederum eine Rückkehr in das von Kiew kontrollierte Gebiet abgelehnt. Der Austausch fand am Kontrollpunkt Majorskoje an der Frontlinie statt, anwesend waren auch Mitarbeiter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij hatte am Samstag von der "schwierigsten Aufgabe in diesem Jahr" gesprochen. Bis zuletzt hatten alle Seiten an den Listen mit den Namen der Gefangenen gearbeitet.

Der Austausch war am 9. Dezember beim Ukraine-Gipfel in Paris im Normandie-Format vereinbart worden. Selenskij und Russlands Präsident Wladimir Putin hatten dort unter Vermittlung von Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron sowie Bundeskanzlerin Angela Merkel nach langem Stillstand den Friedensprozess wiederbelebt. Bei den Gesprächen wurde auch verabredet, dass bis Jahresende ein ausgehandelter Waffenstillstand umgesetzt wird und Minen geräumt werden. Zuletzt hatte die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) aber noch beinahe täglich von Hunderten Verstößen gegen die Waffenruhe berichtet.

Der Austausch der Gefangenen ist für Selenskij ein wichtiger Erfolg, denn er hatte nach seinem Amtsantritt im Mai neue Bewegung in den erstarrten Friedensprozess gebracht. Allerdings gilt der Gefangenenaustausch als einer der leichter erreichbaren Fortschritte im Ukraine-Konflikt. Bereits 2017 waren insgesamt mehr als 300 Personen übergeben worden, im September wiederum hatten die Ukraine und Russland jeweils Dutzende Gefangene freigelassen, unter ihnen ukrainische Seeleute, die in der Straße von Kertsch festgenommen worden waren, sowie den ukrainischen Regisseur Oleg Senzow.

Deutlich schwieriger dürfte die Entflechtung der Truppen bis Ende März werden, die ebenfalls beim Pariser Normandie-Treffen vereinbart wurde. Bis Anfang April soll ein weiterer solcher Gipfel stattfinden. Die größten Probleme für ein Ende des Konflikts, bei dem bisher etwa 14 000 Menschen getötet wurden, scheinen jedoch vorerst kaum lösbar zu sein. Die Regionen Luhansk und Donezk sollen einen Sonderstatus mit weit reichender Autonomie erhalten, allerdings sollen zuvor dort Wahlen abgehalten werden, die ukrainischem Recht und den Standards der OSZE entsprechen sollen. Kiew verlangt, dass es die Kontrolle über die ukrainisch-russische Grenze zurückerhält, Moskau wiederum bestreitet, überhaupt in den Ukraine-Konflikt verwickelt zu sein.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4738877
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 30.12.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.