Süddeutsche Zeitung

Kriegslage:Ukrainischer Frust über fehlende Panzer

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Die Armee kommt kaum noch voran - und das liegt auch an einem Mangel an Offensivwaffen. Lieferungen aus Deutschland könnten daran etwas ändern.

Von Nicolas Freund

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird bei seiner Reise in die Ukraine von großen Erwartungen begleitet - besonders, was Waffenlieferungen angeht. Der lange angekündigte, nach diplomatischen Eklats und Sicherheitsbedenken mehrmals verschobene Besuch ist nicht nur Symbolpolitik. Die Ukraine erhofft sich von Deutschland noch immer ganz konkret die Lieferungen von Waffen, die auch für Gegenangriffe genutzt werden können, am besten Marder-Truppentransporter und Leopard-2-Kampfpanzer. Dass Steinmeier die nicht mal eben selbständig rausrücken kann, spielt dabei keine Rolle. Als deutsches Staatsoberhaupt ist er mit solchen Erwartungen natürlich konfrontiert.

Aus militärischer Sicht sind die Forderungen der Ukraine nach Offensivwaffen keineswegs überzogen. Wenn die ukrainische Armee ihre bisher recht erfolgreiche Gegenoffensive fortsetzen möchte, dann braucht sie solche Waffen und Fahrzeuge, die Truppen Schutz bieten und trotzdem schnelle Vorstöße ermöglichen. Dass es der ukrainischen Armee daran mangelt, dürfte die aktuelle Lage im Donbass und bei der Großstadt Cherson zeigen. Im Donbass, dessen Eroberung Moskau als eines der obersten Ziele ausgegeben hat, stehen sich die beiden Armeen seit Wochen in mehr oder weniger statischen Artilleriegefechten gegenüber. Die russische Armee hat hier einen großen Teil ihrer Truppen in der Ukraine zusammengezogen, und auch die Söldner der "Gruppe Wagner" sind hier aktiv. Diese Konzentration an russischen Soldaten und Artillerie scheint für die ukrainische Armee eine große Herausforderung zu sein.

Im Süden versuchen ukrainische Streitkräfte seit Monaten, russische Versorgungslinien in die besetzte Großstadt Cherson zu stören, um die Besatzer zum Rückzug zu zwingen. Obwohl die russische Armee in der Region wohl tatsächlich große Probleme mit der Logistik hat, will sie offenkundig die Stadt so lange wie irgend möglich halten. Die Ukrainer werden ihrerseits versuchen, einen Angriff so lange wie möglich hinauszuzögern. Kämpfe in Städten können verlustreich und unberechenbar verlaufen.

Der Präsident verspricht neue Lieferungen - von Defensivwaffen

In beiden Fällen, so die Erwartungen der Ukraine und mancher Experten, könnten westliche Waffensysteme einen entscheidenden Unterschied machen, insbesondere Kampfpanzer. So wie es bereits bei den Himars-Raketensystemen der Fall war, die es der Ukraine erlauben, russische Depots auch weit hinter der Front zu treffen.

Zu den militärischen Notwendigkeiten kommt, dass die Zeit drängt. Im Herbst und im Frühjahr erlauben die matschigen ukrainischen Äcker keine Vorstöße mit Panzern und anderem schweren Gerät. Im Winter sind gefrorene Böden zwar theoretisch befahrbar, aber Kälte und die zuletzt stark zerstörte Infrastruktur werden größere Offensiven schwer, wenn nicht unmöglich machen.

Im deutschen Präsidialamt weiß man natürlich, dass die Erwartungen, was schnelle Waffenlieferungen angeht, groß sind. Steinmeier sagte deshalb am Dienstag unter anderem auch wieder militärische Hilfen zu. Allerdings sprach er von Defensivwaffen, um die Menschen vor "den perfiden Angriffen der russischen Raketen und Kamikaze-Drohnen" zu schützen.

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