Süddeutsche Zeitung

Krieg in der Ukraine:Wer zahlt wem wie viel für die Kriegsflüchtlinge?

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Bund, Länder und Kommunen verhandeln über die Kosten für Unterbringung, Versorgung und Integration der Menschen aus der Ukraine. Das sind die wichtigsten Streitpunkte.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Dieser Freitag ist, wenn man so will, ein Tag der Begegnung. Vertreter des Bundes treffen Vertreter der Länder, Vertreter der Kommunen treffen Vertreter des Bundes, und immer geht es um die eine große Frage: Wer zahlt wem wie viel für die Unterbringung, Versorgung und Integration der Geflüchteten aus der Ukraine?

Derzeit sind gut 270 000 Kriegsflüchtlinge in Deutschland registriert. Laut Bundesinnenministerium können es aber auch mehr sein, weil nicht lückenlos kontrolliert werde an der Grenze - oder weniger, weil einige vielleicht schon weitergereist sind. Vermutlich aber werden noch mehr Menschen nach Deutschland kommen, solange der Krieg andauert. Die Länder wollen nun vom Bund finanzielle Unterstützung bei der Bewältigung dieser Herausforderung.

Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat sich schon mehrfach getroffen - bislang ohne Ergebnis. Die Positionen liegen nach wie vor auseinander. An diesem Freitag kommt die Gruppe abermals zusammen, dieses Mal soll auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) dabei sein. Die Haltung des Bundes sei "kooperativ", sagte er vor den Gesprächen. Bislang ist allerdings auf Bundes- wie auf Länderebene zu hören, dass mit einer Einigung vermutlich erst in der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz kommende Woche zu rechnen sei.

"Die Wünsche der Länder schießen übers Ziel hinaus."

Am frühen Freitagnachmittag sind dann, zusätzlich zu den Bund-Länder-Gesprächen, auch noch die kommunalen Spitzenverbände ins Kanzleramt eingeladen, wo sie mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und einer ganzen Reihe von Fachministern zusammensitzen werden - ein "Austausch" zur Aufnahme, Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen aus der Ukraine.

Die Forderung der Kommunen ist, vereinfacht gesagt, eine Vollkompensation der vor Ort entstehenden Kosten durch die Länder. Weshalb die Länder ihrerseits eine möglichst umfassende Kompensation durch den Bund verlangen. Der aber, so ist aus Regierungskreisen zu hören, denkt gar nicht daran, den Ländern ihre finanziellen Wünsche widerstandslos zu erfüllen. "Die Wünsche einiger Länder schießen übers Ziel hinaus", sagte ein Regierungsvertreter.

Reinhard Sager, Landrat und Präsident des Deutschen Landkreistages, sagte der Süddeutschen Zeitung, dass die Länder der erste Ansprechpartner für die Kommunen seien. Sie müssten die Kommunen "von den Kosten freihalten". Bei dem Treffen im Kanzleramt würden die Kommunalvertreter aber klar zur Sprache bringen, dass ein Gesamtfinanzierungskonzept notwendig sei.

"Wir in Baden-Württemberg erstatten unseren Kommunen die Kosten für privat untergebrachte Geflüchtete", betonte wiederum der baden-württembergische Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) gegenüber der SZ . "Es braucht aber auch eine umfassende Beteiligung des Bundes, um die Länder angemessen zu unterstützen." Dazu sei eine schnelle Einigung zwischen Bund und Ländern "auf ein umfassendes Finanzierungskonzept" notwendig.

Den Ländern schwebt, so ist es von mehreren Seiten zu hören, im Großen und Ganzen eine Regelung analog zu der von 2015 vor, als insgesamt mehr als eine Million Menschen nach Deutschland kamen. Damals zahlte der Bund den Ländern für jeden Geflüchteten erst einmal pauschal rund 670 Euro im Monat. Jetzt wollen einige Länder wieder eine solche Pauschale, idealerweise aber eine höhere. Der Bund will aber keine Pauschale zahlen. Stattdessen bietet er an, die Geflüchteten bereits nach 90 Tagen ins Sozialgesetzbuch II aufzunehmen, also wie alle anderen Grundsicherungsempfänger zu behandeln. Die Grundsicherungskosten trägt der Bund; außerdem beteiligt er sich zu großen Teilen an den Unterkunftskosten.

In welcher Höhe Berlin sich an den Integrationskosten beteiligt, ist ebenfalls unklar

Den niedersächsischen Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) überzeugt das trotzdem nicht. "Die ersten 90 Tage müssten die Länder dann alleine stemmen", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Außerdem rechne er damit, dass die ukrainischen Flüchtlinge ohnehin nach recht kurzer Zeit das Asylverfahren hinter sich lassen und in die Grundsicherung wechseln würden - weshalb das Angebot des Bundes nicht so großzügig sei, wie es im Augenblick scheine.

Ebenfalls umstritten ist offenbar, ob sich der Bund zusätzlich noch an den Integrationskosten beteiligen wird - also an den Kosten für Sprachkurse oder, sollte die Zahl der Geflüchteten noch deutlich steigen, zusätzlichen Schulklassen und Kitaplätzen.

Verkompliziert wird die aktuelle Debatte ums Geld dadurch, dass Ende vergangenen Jahres die großzügigeren Regelungen zur Beteiligung des Bundes an den Flüchtlingskosten, die noch aus der Zeit nach 2015 stammten, ausgelaufen sind. Die Länder wollen gerne eine Anschlussfinanzierung für alle Flüchtlinge, nicht nur für die aus der Ukraine - der Bund aber lehnt das ab.

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