Süddeutsche Zeitung

TV-Interview:Trump unterschätzt die Macht seiner Worte

Lesezeit: 3 min

Im Sommer 2015 machte der Republikaner Menstruations-Witze über Megyn Kelly. Jetzt ist er erstmals zu einem Interview bei ihr zu Gast. Eine Entschuldigung kommt ihm nicht über die Lippen.

Von Matthias Kolb, Washington

Wer den unglaublichen US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 verstehen möchte, kommt nicht am 6. August 2015 vorbei. Donald Trump ist zu diesem Zeitpunkt zwei Monate im Rennen, kaum jemand nimmt ihn ernst. Ausgenommen vielleicht ein paar Menschen, die den Nachnamen des Milliardärs tragen.

In der ersten TV-Debatte der Republikaner an eben jenem 6. August konfrontiert Fox-News-Moderatorin Megyn Kelly den Milliardär mit seinen frauenfeindlichen Sprüchen. Und die Beobachter sind entsetzt über Trumps Macho-Gleichgültigkeit. Am Tag danach legt der wütende Trump nach: Er nennt Kelly ein "journalistisches Leichtgewicht" und spekuliert über ihren Menstruationszyklus: "Aus ihren Augen kam Blut, Blut kam aus ihr heraus ... wo auch immer". Überall schreiben Journalisten ( auch bei SZ.de) von einem riesigen Fehler Trumps: Kein Republikaner kann sich so offen mit Fox News und seinem größten Star anlegen.

Megyn Kelly ist dieser Superstar: Sie hat es geschafft, dass sich das Publikum des konservativen Kabelsenders verjüngt ( mehr hier). Doch (das ist nun bekannt) Trump kann Kelly beleidigen ("Bimbo") und TV-Debatten von Fox News boykottieren, an denen sie teilnimmt - und trotzdem zum Präsidentschaftskandidaten aufsteigen. Also schaut Amerika gebannt zu, als Trump der TV-Journalistin jetzt nach neun Monaten ein Interview gewährt.

Auf eine "nicht faire" Frage folgt ein Kleinkrieg

Und die Aufmerksamkeit lohnt sich: Donald Trump lässt ganz bewusst die wohl beste Gelegenheit verstreichen, sein Image als Frauenfeind zu korrigieren. Denn das 20-Minuten-Gespräch wird nicht im Kabelsender Fox News ausgestrahlt, sondern auf dem per Hausantenne empfangbaren Fox. Und so hören Millionen Amerikaner, was Trump damals empfand und wie er heute über den 6. August 2015 denkt.

Er sei wirklich wütend gewesen, als er damals seine alten Sprüche ("fettes Schwein") kommentieren musste, sagt Trump: "Das ist die erste Frage in der allerersten Debatte, die ich mache. Das war nicht fair." Eine Entschuldigung? Passt nicht in sein "Wer mich attackiert, den greife ich noch härter an"-Weltbild. Zwar bereut er es, Kelly per Retweet als "Bimbo" bezeichnet zu haben, doch Sekunden später sagt er: "Du hast doch schon viel Schlimmeres gehört in deinem Leben und ich hätte bösere Sachen retweeten können." Nein, ein Staatsmann ist Trump wirklich nicht.

Dann wird es psychologisch: Ob er je als Kind gemobbt wurde, will die Moderatorin wissen. Trump verneint und ergänzt: "Das passiert ja nicht nur Kindern, kann auch mit 55 passieren." Kelly kontert: "Oder mit 45." In diversen Medien-Auftritten hat die 45-Jährige erzählt, wie "dunkel" die vergangenen Monate gewesen seien - sie wurde beschimpft, beleidigt und erhielt Todesdrohungen.

Dieser Konter zeigt, dass Kelly eine sehr gute Journalistin ist. Sie diskutiert im Interview keine Polit-Details, sondern stellt offenere Fragen, die es aber in sich haben. Wie er mit der Last umgehe, die jedes seiner Worte nun habe, wenn er sich über Mexikaner oder Muslime äußere, will Kelly wissen. "Ich sehe mich nicht als mächtig an, ich kämpfe wie alle anderen nur ums Überleben", sagt Trump. Er fühle sich nur seinen Wählern verpflichtet, die "entrechtet" und überzeugt seien, dass "Amerika zuerst" kommen müsse.

Auch hier hätte sich dem 69-Jährigen die Gelegenheit geboten, seine Anhänger zu Mäßigung aufzurufen. Er tut das nicht, weil deren Wut und leidenschaftliche Treue ihn ins Weiße Haus tragen soll. Und Trump wirkt unreflektiert, als ihn die Fox-Moderatorin nach seiner Vorbildfunktion fragt: Wie sollen amerikanische Eltern ihre Kinder dazu bringen, nicht zu fluchen und andere zu hänseln, wenn ein Spitzenpolitiker diese tue?

Die Frage hat einen ernsten Hintergrund: In Virginia diskutierten Drittklässler neulich, welcher Mitschüler abgeschoben würde, wenn Trump Präsident sei. Ähnliche Berichte gibt es aus allen Teilen der USA. Trump antwortet wie immer: Eine politische Diskussion sei keine "Einbahnstraße", weshalb er sich ja nur wehre. Und wenn er mal überreagiere, dann gehe das Leben trotzdem weiter. So lässt sich auch der Tweet lesen, den der Milliardär am Ende der Ausstrahlung verschickt.

Trump twittert selber

Was bleibt sonst vom lange erwarteten Interview? Im eher menschelnden Teil sagt Trump, dass der Tod seines alkoholkranken älteren Bruders das schlimmste Ereignis seines Lebens gewesen sei. Aus seinen beiden Scheidungen habe er gelernt, dass er zu viel Zeit in seine Geschäfte und zu wenig in die Beziehung gesteckt habe.

Ansonsten berichtet er, dass er seine berühmten Tweets tagsüber seinen Angestellten diktiere und abends ("so von 19 oder 20 Uhr an") selbst ins iPhone tippe. Der Schlagabtausch mit Kelly Anfang August 2015 habe ihm sogar genutzt, gibt er zu: "Ich wusste, wenn ich das überstehe, dann kann ich weit kommen." Und dass er sich gute Chancen auf den Sieg am 8. November ausrechnet, wundert nicht: "Wenn ich nicht gewinne, dann war es eine völlige Verschwendung an Zeit, Geld und Energie."

Megyn Kelly hat große Pläne

Für Moderatorin Megyn Kelly ist dieser Abend aus mehreren Gründen wichtig. Sie kann darauf hoffen, dass Präsidentschaftskandidat Trump künftig auch Interviews in ihrer täglichen Sendung "Kelly File" geben wird - monatelang hatte er zum Boykott aufgerufen. Und dass der Republikaner ihr "großen Respekt" dafür ausspricht, auf ihn zugegangen und um ein Gespräch gebeten zu haben, dürfte die Emotionen der Trump-Fans beruhigen.

Kelly selbst steht vor dem nächsten Karriere-Sprung: Sie wird eine Woche nach der Präsidentschaftswahl ihr erstes Buch veröffentlichen und sich langsam aus dem politischen TV-Alltag zurückziehen. Ihr Ziel, so sagte sie es unter anderem der New York Times, seien jene Interviews mit Stars und Politikern, über die das ganze Land spricht.

An diesem Abend ist ihr das gelungen.

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