Süddeutsche Zeitung

Türkei und Armenien:Ende der Feindseligkeiten

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Nach fast einem Jahrhundert der Feindschaft: Die Türkei und Armenien wollen diplomatische Beziehungen aufnehmen.

Kai Strittmatter, Istanbul

Die Türkei und Armenien wollen nach fast einem Jahrhundert der Feindseligkeiten bald diplomatische Beziehungen aufnehmen. Das teilten die Außenministerien beider Länder am Montagabend mit. Demnach habe man sich unter Vermittlung der Schweiz auf zwei Protokolle zur Normalisierung der Beziehungen geeinigt. Diese sollen nach weiteren Konsultationen schon in sechs Wochen den Parlamenten der beiden Länder zur Ratifizierung vorgelegt werden.

Die Erklärung kommt überraschend. Zwar hatten die beiden Staaten schon im April einen ersten Fahrplan zur Normalisierung der Beziehungen vorgelegt, doch enthielt dieser Fahrplan keine Details. Zudem war es damals zu erhofften symbolträchtigen Schritten wie einer Grenzöffnung nicht gekommen: Eine Intervention des gemeinsamen Nachbarstaates Aserbaidschan und innenpolitischer Streit in der Türkei hatten dies verhindert.

Seither war es still geworden um die Armenien-Initiative des türkischen Premierministers Tayyip Erdogan. Liberale Beobachter hatten schon gefürchtet, der Premier habe nach Protesten aus dem nationalistischen Lager Furcht vor seiner eigenen Courage bekommen.

Die Beziehungen zwischen beiden Völkern stehen unter dem Schatten der Vernichtung und Vertreibung der Armenier aus Anatolien 1915/16. Die türkische Republik entstand erst 1923, da war Armenien schon Teil der Sowjetunion. Zwischen den Ländern gab es nie diplomatische Beziehungen.

Die Grenze allerdings war für einen kurzen Zeitraum von 1991 bis 1993 offen, nachdem die zerfallende Sowjetunion Armenien in die Unabhängigkeit entlassen hatte. Dann aber überfiel und besetzte Armenien die Enklave Berg-Karabach im benachbarten Aserbaidschan - und die Türkei schloss aus Solidarität mit dem alten Alliierten Aserbaidschan die Grenze.

Die schnelle Wiedereröffnung der Grenze scheiterte denn im April auch nicht an der Völkermord-Debatte, sondern an Berg-Karabach: Aserbaidschan lautstark Alarm, drohte gar damit, den Gashahn zuzudrehen, eine Vorlage, die türkische Nationalisten dankbar aufnahmen.

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Quelle:
SZ vom 1.9.2009/segi
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