Süddeutsche Zeitung

Rücktritt von Hansjörg Haber:Darum hätte die EU ihren Türkei-Vertreter schützen müssen

Dass Ankaras Ärger über eine unscharfe Äußerung von Hansjörg Haber ausreichen kann, um den Spitzendiplomaten loszuwerden, lässt Brüssel nicht gut aussehen.

Kommentar von Luisa Seeling

Man kann das ganze Spielchen mitspielen, also rätseln, was Hansjörg Haber gemeint hat, ob er sich nun beleidigend oder einfach nur ungeschickt ausdrückte, als er die Visa-Verhandlungen zwischen EU und Türkei in ein Sprichwort kleidete. Man kann es aber auch lassen. Denn: So gravierend war die Äußerung nicht, als dass man ihn deshalb aus dem Verkehr ziehen müsste.

Jetzt hat Haber hingeworfen, offenbar unter Druck - nein, nicht aus Ankara, sondern aus Brüssel und Berlin. Dass man dort nervös ist angesichts der Spannungen mit der Türkei und bedacht darauf, die Beziehungen in der Flüchtlingskrise nicht weiter zu belasten, ist verständlich.

Dass aber Ankaras Ärger über eine unscharfe Äußerung ausreichen kann, um einen Spitzendiplomaten loszuwerden, lässt die EU nicht gut aussehen. Viele Menschen haben allemal den Eindruck, dass die EU der Türkei viel zu weit entgegengekommen ist, um das Flüchtlingsabkommen ja nicht zu gefährden. Der Rückzug des Botschafters verfestigt dieses Bild.

Am Ende wird sich die Türkei selbst schaden, wenn Regierungspolitiker ständig mit der Goldwaage unterwegs sind und sich über Nichtigkeiten echauffieren. Die Beziehungen zur EU sind in einem schlechten Zustand. Um zu verhandeln, braucht es aber ein Minimum an Vertrauen. Beide Seiten wollen voneinander profitieren - die Europäer von den Türken, aber auch die Türkei von Europa.

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Quelle:
SZ vom 15.06.2016
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