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Streit zwischen Ankara und Peking:Türkei fordert von China, "Konzentrationslager" für Uiguren zu schließen

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Mit scharfen Worten hat die türkische Regierung von China die Schließung der Umerziehungslager für Uiguren in der westlichen Provinz Xinjiang verlangt. Die Zwangsinternierung der muslimischen Minderheit sei eine "Schande für die Menschheit", erklärte Außenministeriumssprecher Hami Aksoy. Es sei "kein Geheimnis mehr", dass China mehr als eine Million Uiguren willkürlich in "Konzentrationslagern" interniert habe, sie foltere und sie einer Gehirnwäsche unterziehe. Die muslimische Bevölkerung im Westen der Volksrepublik habe mit Druck und "systematischer Assimilierung" zu kämpfen.

Die Regierung in Ankara rief die internationale Gemeinschaft und UN-Generalsekretär Antonio Guterres zum Handeln auf. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte China einst "Genozid" vorgeworfen, seitdem jedoch die diplomatischen und ökonomischen Beziehungen zu Peking vertieft.

Die Uiguren sind ein muslimisches Turkvolk, das in dem ehemaligen Ostturkestan beheimatet ist. Nach ihrer Machtübernahme 1949 in Peking verleibten die Kommunisten die Region der Volksrepublik ein. Heute gilt sie wegen der Spannungen zwischen Uiguren und Han-Chinesen als Konfliktherd. Die Uiguren beklagen gewaltsame Unterdrückung, während ihnen die Chinesen Separatismus vorwerfen.

Camps wurden nachträglich legalisiert

Lange hatte Chinas Führung die Existenz von Umerziehungslagern für Muslime in Xinjiang bestritten, im Oktober wurden sie dann per Gesetz nachträglich legalisiert. Damit ist die Inhaftierung Verdächtiger ohne Gerichtsverfahren erlaubt sowie "ideologische Erziehung gegen Extremismus, psychologische Behandlung und Verhaltenskorrekturen". Offizielle Zahlen gibt es nicht, ein UN-Menschenrechtsgremium hatte jedoch im vergangenen Jahr von mehr als einer Million Internierten berichtet.

Peking rechtfertigt sein Vorgehen mit extremistischen Strömungen in Xinjiang und macht die Uiguren für blutige Unruhen und Terroranschläge verantwortlich. Zuletzt verschärften die Behörden ihr Vorgehen gegen Uiguren noch einmal, erste Druckmaßnahmen waren bereits nach Ausschreitungen im Jahr 2009 ergriffen worden. Zahlreiche Uiguren sind geflohen, davon viele in die Türkei.

Ankara habe Peking seine Position schon "auf allen Ebenen" deutlich gemacht und darauf gedrungen, dass die Haftanstalten geschlossen und Menschenrechte geachtet würden, erklärte Aksoy. Zuletzt habe die Türkei erfahren, dass der berühmte uigurische Musiker und Dichter Abdurehim Heyit in Haft gestorben sei, so der Außenamtssprecher. Diese Tragödie habe die Meinung der türkischen Öffentlichkeit über die Zustände in der Region Xinjiang noch einmal bestärkt. Der Lautenspieler war wegen eines Liedes zu acht Jahren Haft verurteilt worden. Einige Beobachter hatten die Festnahme als Hinweis darauf verstanden, dass die Volksrepublik stärker gegen uigurische Intellektuelle und Kulturschaffende vorgeht, um Sprache und Identität der Volksgruppe auszulöschen.

Chinas Botschaft in Ankara verwehrte sich der Kritik. Aksoys Kommentare seien nicht zu akzeptieren, schrieb sie auf ihrer Webseite. Wie die Türkei stehe auch China der Aufgabe gegenüber, Terrorismus und Extremismus zu bekämpfen. In dieser Frage dürfe nicht mit zweierlei Maß gemessen werden.

Erst Anfang Februar hatten sich mehrere Menschenrechtsorganisationen, darunter Amnesty International, mit einer Forderung an China und den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen gewandt, eine bessere Untersuchung zu dem Thema mit einer entsprechenden Resolution zu ermöglichen. "China sollte anerkennen, dass nur eine internationale Erkundungsmission Fakten von Fiktion trennen und die Dinge ins rechte Licht rücken kann", hieß es in dem Statement.

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