Süddeutsche Zeitung

Tschechien:Risiko-Nachbar

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Seit September explodieren in Tschechien die Infektionszahlen, die Todesrate gehört inzwischen weltweit zu den höchsten. Nun hat das Robert-Koch-Institut das Land zum Hochinzidenzgebiet erklärt - das bringt harte Auflagen für Berufspendler.

Von Viktoria Großmann, München

Es herrscht Notstand in Tschechien und das in jeder Hinsicht. Seit Ausbruch der Pandemie werden sich im Nachbarland bald eine Million Menschen mit dem Coronavirus infiziert haben - bei knapp 10,7 Millionen Einwohnern. Die Todesrate in Tschechien gehört zu den höchsten weltweit, vergleichbar mit Italien und Großbritannien. Nun hat das Robert-Koch-Institut Tschechien als einziges deutsches Nachbarland zu einem Hochinzidenzgebiet erklärt, weil der Sieben-Tage-Wert dauerhaft weit über 200 Infektionen auf 100 000 Einwohner liegt und weil sich auch in Tschechien die britische Virusmutante ausbreitet.

Allzu große Neuerungen sieht die Einreiseverordnung zwar für diese Hochinzidenzgebiete nicht vor, die Reisenden müssen nun lediglich bereits vor der Ausreise aus diesen Gebieten einen Test machen. Das macht Gelegenheitsreisenden etwa aus Portugal oder Spanien, die auch auf der Liste stehen, vielleicht nicht viel aus. Schwierig aber wird es für die etwa 35 000 Berufspendler aus dem Nachbarland. Diese müssen sich nun alle 48 Stunden testen lassen. Die Industrie- und Handelskammern in Bayern und Sachsen warnten, dass das einer Grenzschließung gleichkäme. Schon bisher mussten viele Pendler lange Umwege und Wartezeiten für die ein bis zwei Tests pro Woche in Kauf nehmen. Während Sachsen umgehend Ausnahmen für alle Berufspendler schuf, beharrt Bayern auf der Bundesverordnung, auch für medizinisches Personal.

In Tschechien wird derweil heftig über die Maßnahmen im Kampf gegen das Virus diskutiert. Die Intensivstationen sind überlastet, Krematorien müssen Leichenhallen ausbauen. Mediziner werfen dem Gesundheitsminister vor, die Risikolage allein mit Blick auf die Kapazitäten der Krankenhäuser bewertet zu haben. Man müsse vielmehr auf die Gesamtinfektionszahlen schauen. Zudem müssten alle Besuche in Heimen verboten werden, forderte zuletzt ein Klinikdirektor im osttschechischen Frýdek-Místek, der sich von der Regierung auch bei der Verteilung der Kranken im Stich gelassen fühlte.

Die Infektionszahlen explodierten im September

Dabei gilt seit Anfang Oktober, was fast überall gilt: Bis auf den täglichen Bedarf sind die Geschäfte geschlossen, es gibt Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen. Nur Kindergärten und die ersten zwei Grundschulklassen sind geöffnet, auch Krippen dürfen nun öffnen. Was auch Kritiker nicht ablehnen. Gerade hat das Parlament den Notstand erneut verlängert, bis 14. Februar. Er ermöglicht unter anderem den Einsatz von Soldaten in Krankenhäusern als Hilfspfleger - und dieser ist dringend nötig.

Mit den geltenden Maßnahmen schien im November schon einmal eine leichte Entspannung zu gelingen. So richtig begonnen hatte die Pandemie in Tschechien eigentlich erst nach den Sommerferien, als die Fallzahlen im September plötzlich explodierten. Den erneuten Anstieg der Zahlen im Januar führen viele auch auf die kurzzeitigen Lockerungen vor Weihnachten zurück, als die Geschäfte öffnen durften - mit Impfbeginn am 27. Dezember wurde gleich alles wieder geschlossen, auch Wintersport ist noch untersagt. Immerhin sank zuletzt die Reproduktionszahl deutlich unter die wichtige Grenze von 1,0, und es sind schon fast doppelt so viele Menschen geimpft wie derzeit erkrankt sind. Auch die Impfbereitschaft steigt wieder.

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