Süddeutsche Zeitung

Diplomatie:Opa Trumps Heimat

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Von Nico Fried, Berlin

Die Einladung der Kanzlerin steht schon länger, jetzt scheint US-Präsident Donald Trump entschlossen zu sein, sie anzunehmen: "Ich weiß nicht, wann, aber er hat mir gesagt, dass er kommen und den Heimatort seiner Familie sehen will", berichtete der amerikanische Botschafter Richard Grenell vergangene Woche. Der Heimatort heißt Kallstadt, liegt in Rheinland-Pfalz und ist bekannt für Weinbau.

Ein Besuch Trumps wäre allein wegen der angespannten deutsch-amerikanischen Beziehungen ein Politikum. Der Präsident würde aber auch ein neues Kapitel in seinem widersprüchlichen Verhältnis zur Herkunft seiner Vorfahren schreiben. Ein Besuch in Deutschland, wo der Präsident bisher nur aus Anlass des G-20-Gipfels in Hamburg war, könnte zudem weiteren Aufschluss über die Frage geben, ob Trump eigentlich in erster Linie ein Problem mit Angela Merkel hat, oder doch eher mit Deutschland.

Donald Trumps Großvater Frederick wurde 1869 in Kallstadt als Friedrich Trump geboren. Er lernte Friseur, zog aber schon mit 16 Jahren nach New York. In der Zeit des Goldrauschs kam er mit Restaurants im Nordwesten der USA zu Wohlstand, kehrte heim, heiratete seine Kallstädter Nachbarstochter Elisabeth Christ und zog wieder nach Amerika.

Merkel schenkte Trump einen Kupferstich aus dem Jahre 1705

Im April 2018, als Merkel den Enkel Frederick Trumps das zweite Mal im Weißen Haus besuchte, schenkte sie ihm einen Kupferstich aus dem Jahre 1705, auf dem eine Karte der Rheinpfalz mit Kallstadt zu sehen ist. In einer kurzen Plauderei sagte Trump, er wisse, dass sein Großvater in Amerika reich geworden sei, die Großmutter aber Heimweh gehabt habe. Auch sei ihm bekannt, dass um Kallstadt herum Weinbau betrieben werde. Als der Präsident fragte, ob es heute auch Industrie gebe, schlug Merkel vor, man könne die Region ja mal gemeinsam besuchen.

Es ist unklar, wie intensiv sich Trump mit der Herkunft seiner Vorfahren beschäftigt hat. Sein Vater hatte nach dem Zweiten Weltkrieg - möglicherweise aus geschäftlichem Interesse - behauptet, die Familie komme gar nicht aus Deutschland, sondern aus Schweden. Donald Trump hat diese Version 1987 in seinem Buch "The Art of the Deal" übernommen. Die ebenfalls aus Kallstadt stammende Filmemacherin Simone Wendel sprach mit Trump mehr als zwei Jahrzehnte später, aber noch vor seiner Kandidatur für die Präsidentschaft. In ihrem Ende 2014 erschienenen Film "Kings of Kallstadt" bekennt sich Trump zu seiner "großartigen deutschen Herkunft". Er sei "sehr stolz darauf, großartiges Land".

In der jüngsten Ausgabe des US-Magazins The New Yorker schreibt die Autorin Susan B. Glasser ausführlich über das deutsch-amerikanische Verhältnis unter Trump und Merkel. Der Präsident, so die Autorin, sei besessen von Deutschland. Unter deutschen Gesprächspartnern sei ihr dazu die Theorie begegnet, dies könne mit seiner Herkunft zu tun haben. Jedenfalls komme er auch im Gespräch mit anderen Regierungschefs immer wieder auf Deutschland zu sprechen, unter anderem in einem langen Monolog vor dem schwedischen Ministerpräsidenten Stefan Löfven im März 2018.

Für Kanzlerin Merkel wiederum liegt im schon so lange Zeit ambivalenten Verhältnis Trumps zu Deutschland auch ein Beweis, dass es nicht sie als Person allein sein könne, die den Präsidenten gegenüber Deutschland gelegentlich besonders kritisch auftreten lässt. Natürlich weiß Merkel, dass Trump ihr unter anderem das gute Verhältnis zu seinem Vorgänger Barack Obama verübelt. Sie aber verweist stets darauf, dass Trump schon in einem Interview mit dem Playboy 1990 eine Steuer auf jeden Mercedes gefordert habe, der durch Amerika fährt.

Sollte Trump nach Kallstadt kommen, gäbe es eine Parallele: Schon Merkels Vorgänger Gerhard Schröder wählte einst Rheinland-Pfalz, um das schlechte Verhältnis zu einem US-Präsidenten aufzubessern. Seiner Begegnung mit George W. Bush im Februar 2005 in Mainz war allerdings in dieser Hinsicht wenig Erfolg beschieden.

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Quelle:
SZ vom 24.12.2018
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