Süddeutsche Zeitung

Trump und die Demokraten:Gegenseitige Verachtung und Wut

Lesezeit: 3 min

Von Hubert Wetzel, Washington

Sollte irgendwann einmal der Wikipedia-Eintrag über das Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsident Donald Trump geschrieben werden, dann wird der 22. Mai 2019 darin wohl eine wichtige Rolle spielen. Der vergangene Mittwoch wird dann jener Tag gewesen sein, an dem klar wurde, dass Trump und die Demokraten keinen Frieden finden können, dass die gegenseitige Verachtung und die Wut aufeinander zu groß sind, dass es ohne eine gewaltige Schlacht, sprich: ein Impeachment, nicht geht.

Noch ist es nicht so weit. Sowohl aus dem Weißen Haus als auch aus dem Kongress heißt es, dass die maßgeblichen Beteiligten - hier der Präsident, dort die Fraktionsspitze der Demokraten im Abgeordnetenhaus - kein Impeachment wollen. Ob man das glauben will, ist allerdings Ansichtssache. Zumindest zeigen beide Seiten wenig Bereitschaft, auf Provokationen zu verzichten. Wer da wen und mit welchen Motiven aufstachelt, ist nicht immer klar. Sicher ist: Geht die Eskalation weiter, kann am Ende eigentlich nur ein Amtsenthebungsverfahren stehen.

Der Mittwoch begann damit, dass Nancy Pelosi dem Präsidenten vorwarf, etwas zu "vertuschen". Was, sagte sie nicht. Aber sie benutzte den kriminalistisch klingenden Begriff "cover-up", womit sie insinuierte, dass der Präsident etwas Illegales getan habe und es verbergen wolle.

Die Demokratin Pelosi ist Trumps gefährlichste Feindin

Nun findet man in Washington beliebig viele Demokraten, die genau diesen Vorwurf gegen Trump erheben. Doch Pelosi hat sich bisher stets vorsichtiger geäußert. Sie ist die Vorsitzende des Abgeordnetenhauses, Chefin über alles, was dort passiert, und damit nicht nur die mächtigste Demokratin im Land, sondern auch Trumps gefährlichste Feindin. Vor allem aber ist Pelosi diejenige, die Trump bisher vor einem Impeachment geschützt hat. Sie weiß, dass der republikanische Senat den Präsidenten nicht aus dem Amt entfernen wird, sie ist fest davon überzeugt, dass die Amerikaner kein Impeachment-Spektakel wollen, und sie fürchtet, dass die Demokraten die Wahlen im November 2020 verlieren würden, wenn sie es anschieben.

Doch der Druck, es trotzdem zu tun, ist stark. Und er wächst. In der demokratischen Fraktion im Abgeordnetenhaus, die durch eine Anklageerhebung ein Impeachment-Verfahren beginnen könnte, schwindet offenbar die Angst vor diesem Schritt. Bisher waren es vor allem die jungen, linken Wilden, die Trump um jeden Preis aus dem Amt jagen wollten. Doch inzwischen gibt es auch gemäßigtere Parlamentarier aus konservativen Wahlkreisen, die sich für die Idee erwärmen.

Es ist offen, wie lange Pelosi ihre unruhige Fraktion noch zügeln kann. Vielleicht benutzte sie den Begriff "cover-up", um etwas Dampf aus dem Kessel zu lassen. Vielleicht will sie mit dieser Art von Watergate-Rhetorik aber auch schon die Weichen für ein Amtsenthebungsverfahren stellen. Immerhin befürwortete vor einigen Tagen auch der republikanische Abgeordnete Justin Amash per Twitter ein Impeachment gegen Trump. Amash ist zwar nur ein einzelner Abtrünniger. Aber Pelosi hatte "Überparteilichkeit" als eine Bedingung für ein Amtsenthebungsverfahren genannt - diese ist formell nun erfüllt.

Trumps beispielloser Schritt

Und dann ist da Trump selbst, der sich auch nicht so verhält, als hätte er Interesse, ein Impeachment zu vermeiden. Der Präsident hat den bisher beispiellosen Schritt getan, seiner gesamten Regierung pauschal die Zusammenarbeit mit dem demokratischen Abgeordnetenhaus bei dessen Ermittlungen zu verbieten. Das betrifft nicht nur die Themen, die schon Sonderermittler Robert Mueller untersucht und bewertet hat - eine illegale Kooperation zwischen Trump und Moskau im Wahlkampf (eher nein) und die mögliche Behinderung der Justiz (vermutlich ja) -, sondern auch allerlei andere Dinge, von den Finanzen des Präsidenten bis zu Personalangelegenheiten im Weißen Haus. Diese Blockade ihres parlamentarischen Kontrollrechts wollen sich die Demokraten nicht bieten lassen. Trump wiederum beruft sich auf seine Befugnisse als Chef der Exekutive, der dem Kongress keineswegs über alle Vorgänge Rechenschaft schulde.

Was immer Trump also zu vertuschen hat oder nicht - in erster Linie ist er genervt und wütend, dass die Demokraten ihm so nachstellen. Am Mittwoch brach sich diese Wut Bahn: Bei einem Treffen mit Pelosi im Weißen Haus, bei dem über Infrastrukturinvestitionen geredet werden sollte, stürmte Trump in den Raum und schrie die Demokratin minutenlang an. Dann stürmte er wieder raus und gab im Rosengarten eine Pressekonferenz, in der er eine Art Ultimatum stellte: Er werde mit den Demokraten erst wieder über Gesetzesvorhaben reden, wenn diese ihre Untersuchungen gegen ihn eingestellt haben.

Das wäre nun für Pelosi die Möglichkeit zur Deeskalation gewesen. Aber darauf hatte sie offenbar keine Lust. Stattdessen schrieb sie einen Brief an ihre Fraktion, in dem sie vom "Wutanfall" des Präsidenten berichtete. Sie benutzte den Begriff "temper tantrum", der im Allgemeinen verwendet wird, wenn Dreijährige im Supermarkt nach Schokolade schreien. Und am Donnerstag legt Pelosi noch nach: Trumps Zustand mache ihr Sorgen, sagte sie. Zum Wohle des Landes sollte da jemand mal eingreifen.

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SZ vom 24.05.2019
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