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Syrisch-libanesische Grenze:Syrien meldet israelischen Luftangriff auf Forschungszentrum

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Israels Luftwaffe soll ein militärisches Forschungszentrum angegriffen haben. Zuvor attackierte sie nach eigenen Angaben nahe der syrisch-libanesischen Grenze einen Waffenkonvoi - offenbar um zu verhindern, dass die Hisbollah Chemiewaffen erhält. Die genauen Hintergründe zu dem Angriff sind unklar, fest steht aber: Syriens Giftgas-Arsenal bereitet Israel Sorgen.

Von Peter Münch

Die israelische Luftwaffe hat nach syrischen Armeeangaben ein militärisches Forschungszentrum zwischen der Hauptstadt Damaskus und der syrisch-libanesischen Grenze bombardiert. Israel habe am Mittwochmorgen "den syrischen Luftraum verletzt" und "eine wissenschaftliche Forschungseinrichtung" angegriffen, teilte das Militär am Abend mit. Diese habe daran gearbeitet, Syriens "Fähigkeit zum Widerstand und zur Selbstverteidigung" zu erhöhen. Den Angaben zufolge wurden zwei Mitarbeiter der Anlage getötet.

Israelische Sicherheitskreise hatten zuvor einen Angriff der Luftwaffe nahe der syrisch-libanesischen Grenze bestätigt, wie die Nachrichtenagentur AFP berichtete. Ziel war den Angaben zufolge ein Waffentransport. Demnach wurde der Konvoi in der Nacht zum Mittwoch auf dem Weg in den Libanon auf syrischem Gebiet angegriffen. Nach Angaben der libanesischen Armee hatten allein am Dienstag 16 israelische Kampfjets den ganzen Tag über das libanesische Staatsgebiet überflogen. Israel hatte mit Angriffen auf Konvois gedroht, die Chemiewaffen oder andere Waffen zur radikalislamischen Hisbollah-Miliz in den Libanon bringen könnten. Regierungschef Benjamin Netanjahu rief zur Wachsamkeit vor Bedrohungen für Israels Sicherheit auf - unter anderem aus Syrien.

Eine Reihe israelischer Politiker und Armeeführer hatte in den vergangenen Tagen ein militärisches Eingreifen für den Fall angekündigt hatten, dass syrische Chemiewaffen in die Hände der von Iran unterstützten Hisbollah gelangen könnten. Das Chemiewaffen-Arsenal des bedrängten syrischen Präsidenten Baschar al-Assad bereitet Israels Führung seit langem Sorgen. Die Zeitung Haaretz meldet, zwei hochrangige israelische Vertreter seien deshalb in den vergangenen Tagen zu Geheimgesprächen in die USA und nach Russland gereist.

Der Chef des Armee-Geheimdienstes, Aviv Kochavi, sei am Mittwoch aus Washington, der Nationale Sicherheitsberater Yakov Amidror aus Moskau zurückgekehrt. Am Sonntag hatte Premier Benjamin Netanjahu gewarnt, dass die "tödlichen Waffen in Syrien" der Kontrolle der Regierung entgleiten und in die falschen Hände geraten könnten.

Zugleich war bekannt geworden, dass er in der Woche zuvor, nur einen Tag nach der israelischen Parlamentswahl, die Spitzen des Sicherheitsapparats zu einer dringenden und geheimen Sitzung zum Thema Syrien versammelt hatte. Im Nahen Osten würden sich die Gefahren unabhängig von Wahlterminen oder der Bildung einer Regierung in Israel entwickeln, erklärte er dazu - und handelte sich in den Medien den Vorwurf ein, er inszeniere eine Bedrohungslage, um die Bildung einer möglichst breiten Koalition zu erleichtern.

Vize-Premier Silwan Schalom sagte im Armee-Radio, "die Länder der freien Welt" stimmten darin überein, dass extremistische Organisationen daran gehindert werden müssten, in den Besitz chemischer Waffen zu gelangen. In den Händen der Hisbollah würden sie die Lage "dramatisch verändern". Der Chef der israelischen Luftwaffe, Amir Eschel, erklärte, Israel könne sich nicht "selbstzufrieden zurücklehnen" angesichts des Chaos in Syrien und der Auswirkung auf die regionale Machtbalance.

Am Wochenende wurden ohne nähere Begründung zwei Batterien des Raketenabwehr-System Iron Dome im Norden Israels stationiert. In der Bevölkerung löste das nachvollziehbare Ängste aus. Die Nachfrage nach Gasmasken und ABC-Schutzanzügen hat sich bei den staatlichen Verteilstellen offenbar wieder deutlich erhöht.

Bedrohlich erscheinen für Israel jedoch nicht nur die syrischen Massenvernichtungswaffen, sondern auch der anhaltende Schmuggel anderen Kriegsgeräts. Trotz des seit zwei Jahren tobenden Bürgerkriegs ist der nicht zum Erliegen gekommen. Vom Assad-Regime an die Hisbollah geliefert werden israelischen Berichten zufolge auch Flugabwehrraketen und Radareinrichtungen. Zudem soll die Hisbollah mittlerweile nicht weniger als 60 000 Raketen gehortet haben.

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SZ vom 31.01.2013
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