Süddeutsche Zeitung

Außenminister:Maas kritisiert Russland für Syrien-Politik

Lesezeit: 3 min

Eine UN-Resolution für Hilfslieferungen in Syrien scheitert am Veto von China und Russland. Menschenrechtler warnen, das könne zum "Todesurteil" für Hungernde werden.

Von Daniel Brössler und Paul-Anton Krüger, Berlin

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hat Russland für eine Verschärfung der humanitären Krise in Syrien verantwortlich gemacht. "Die Blockadehaltung einiger Partner im Sicherheitsrat setzt Menschenleben aufs Spiel", sagte Maas am Mittwoch der Süddeutschen Zeitung. Russland und China hatten zuvor im UN-Sicherheitsrat eine Resolution zur Fortsetzung grenzüberschreitender humanitärer Hilfe in Syrien per Veto blockiert.

2,8 Millionen Menschen seien auf diese Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen, betonte Maas. Durch die Corona-Pandemie drohe ihnen noch mehr Leid. "Es ergibt schlichtweg keinen Sinn, angesichts der sich noch verschärfenden Krise weiter humanitäre Zugänge zu verringern", mahnte er. Dabei sollten "insbesondere bei humanitären Fragen politische Zwistigkeiten hintenan gestellt werden".

Deutschland werde sich zusammen mit Belgien weiterhin intensiv für eine Verlängerung der Resolution einsetzen, die an diesem Freitag ausläuft. Zuletzt konnten die UN und internationale Organisationen noch zwei Übergänge von der Türkei für Hilfslieferungen nutzen. Russland hatte bereits die Sperrung zweier weiterer Übergänge erzwungen.

13 von 15 Mitgliedern im Rat für deutschen Vorschlag

Maas hatte am Dienstag noch mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow telefoniert. Aber auch diese Intervention auf sehr hoher Ebene hat nicht verhindern können, dass Moskau im UN-Sicherheitsrat sein Veto einlegte. In der Nacht zum Mittwoch stimmten 13 der 15 Mitglieder für den Entwurf, den Deutschland als turnusmäßiger Vorsitzender auszuhandeln versucht hatte; China schloss sich Russlands Veto an.

Als "lebenswichtig für das Wohlergehen der Zivilbevölkerung" bezeichnet Stephane Dujarric, der Sprecher von UN-Generalsekretär António Guterres, grenzüberschreitende Hilfslieferungen. "Leben hängen davon ab." Etwa eine Million Menschen, die sich in der letzten noch von islamistischen Rebellen kontrollierten Provinz Idlib befinden, sind Binnenvertriebene, die vor einer von Russland unterstützten Offensive des syrischen Regimes von Präsident Baschar al-Assad zu Beginn des Jahres fliehen mussten.

Die Bundesregierung war, um Moskau entgegenzukommen, bereits davon abgerückt, die Wiedereröffnung eines dritten Grenzübergangs für Hilfslieferungen zu fordern, wie es UN-Experten für nötig halten. Russland hatte bereits im Januar mit einem Veto verhindert, dass die seit 2014 bestehende Regelung verlängert wurde. Seither konnten die UN nur noch die beiden Übergänge Bab al-Salam und Bab al-Hawa von der Türkei aus nutzen - und das auch nur für sechs Monate statt wie zuvor zwölf.

Seither hat sich die Versorgungssituation in einigen Regionen deutlich verschlechtert. Die Schließung des Übergangs nach Irak hat laut den UN zur Folge, dass 40 Prozent der medizinischen Hilfe für den Nordosten abgeschnitten sind. Sollte sich der UN-Sicherheitsrat nicht einigen, wäre dies das Ende der grenzüberschreitenden Lieferungen.

Russland sieht in den Lieferungen eine Einschränkung der syrischen Souveränität und verlangt, dass letztlich das Regime die Versorgung aller Landesteile übernehmen soll. "Russland ist getrieben davon, Assad die Kontrolle über das gesamte Land zu verschaffen", sagte der deutsche Botschafter bei den UN, Christoph Heusgen. Sein russischer Kollege Wassilij Nebensia warf dem Westen vor, die humanitäre Hilfe zu instrumentalisieren, um die syrische Bevölkerung zu spalten. Allerdings hatte zuvor auch schon UN-Generalsekretär Guterres Moskaus Ansinnen zurückgewiesen, die Versorgung Damaskus zu überlassen. Dies sei keine realistische Alternative, um den massiven Bedarf an Hilfsgütern in der Region zu decken, sagte er.

Russland will eigenen Entwurf präsentieren

Russland will nun einen eigenen Resolutionsentwurf zur Abstimmung stellen, der vorsieht, lediglich einen Übergang für weitere sechs Monate offenzuhalten. Diplomaten am Sitz der UN in New York gingen davon aus, dass sich dafür im Sicherheitsrat nicht die nötige Mehrheit von neun der 15 Stimmen finden wird oder ihn sonst eine der drei westlichen Vetomächte blockiert. Der US-Sondergesandte für Syrien James Jeffrey bemühte sich in Gesprächen mit dem russischen Vizeaußenminister Sergej Werschinin ebenfalls um eine Lösung.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International betonte, die Bedeutung der grenzüberschreitenden Hilfslieferungen könne nicht überbewertet werden. "Für Millionen Syrer geht es darum, ob sie Nahrung zum Essen haben oder hungern müssen", sagte die Vertreterin für UN-Angelegenheiten, Sherine Tadros. "Für Krankenhäuser, ob sie genug haben, um Leben zu retten." Das Verhalten Chinas und Russlands sei ein gefährlicher und verachtenswerter Missbrauch der Veto-Macht. Human Rights Watch sprach von einem "virtuellen Todesurteil für viele Syrer", sollte wie von Russland verlangt der Übergang Bab al-Salam gesperrt werden.

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