Süddeutsche Zeitung

Omikron:Afrikanische Staaten fordern Ende der Reisebeschränkungen

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Sie halten die Verbote für ungerecht und fürchten die wirtschaftlichen Folgen. Zudem befeuerten sie Afrophobie - wie man in europäischen Medien beobachten kann.

Von Bernd Dörries, Kapstadt

"Wir sind alle besorgt über die neue Covid-Variante und schulden den südafrikanischen Wissenschaftlern unseren Dank dafür, dass sie sie vor allen anderen identifiziert haben", sagte Malawis Präsident Lazarus Chakwera am Sonntag in einem Facebook-Post. "Aber die einseitigen Reiseverbote, die jetzt gegen das südliche Afrika verhängt werden, sind unangebracht. Die Maßnahmen müssen sich auf die Wissenschaft stützen, nicht auf Afrophobie."

Die Afrophobie konnte man in den vergangenen Tagen in einigen europäischen Medien beobachten. Die Rheinpfalz druckte ein Bild mit einer afrikanischen Mutter und ihrem Kind auf der Titelseite, mit der Überschrift: "Das Virus aus Afrika ist bei uns." Wofür sich die Zeitung entschuldigte, ebenso wie die Kollegen aus Spanien, wo La Tribune eine Karikatur von einem Schiffchen voller schwarzer Viren veröffentlichte, das sich auf den Weg nach Europa macht. Beides löste in vielen afrikanischen Ländern große Empörung aus.

Das Virus wurde zwar zuerst in der Probe vom 4. November in Südafrika nachgewiesen, was aber noch nicht heißt, dass es auch hier entstanden sein muss. Dennoch überbietet sich der Rest der Welt gerade mit Reisebeschränkungen, dabei kamen auch Länder im südlichen Afrika auf die rote Liste, die noch gar keinen nachgewiesenen Fall von Omikron hatten. Großbritannien hat derweil bereits fast 250 neue Fälle, dennoch gibt es für das Königreich so gut wie keine Reisebeschränkungen. Von denen die WHO generell auch abrät.

"Es ist unwahrscheinlich, dass Reisebeschränkungen die Ausbreitung von Coronaviren stoppen können, solange die Länder nicht in der Lage sind, ihre Grenzen für Reisende aus allen Ländern vollständig zu schließen", schreiben mehrere südafrikanische Wissenschaftler in einem Beitrag für das Magazin Science. Die Einreiseverbote konnten die Ausbreitung höchstens um ein paar Tage oder Wochen verschieben, mehr aber nicht.

Zahl der Klinik-Einweisungen verdoppelt sich

"Es ist da draußen, also wird es sich auf jeden Fall ausbreiten", sagte Anthony Fauci, der medizinische Chefberater des US-Präsidenten. Auch wenn bisher wenig über die Gefährlichkeit des neuen Virus bekannt sei und Reisebeschränkungen nur begrenzte Wirkung hätten, seien sie sinnvoll gewesen, sagte Fauci, sonst wäre die Politik wegen "Untätigkeit gekreuzigt" worden. Nun sei aber ein Umdenken nötig, da sich das Virus schon an so vielen Orten verbreitet habe. "Aus diesem Grund bin ich der Meinung, dass wir das Verbot hoffentlich so schnell wie möglich zurücknehmen können".

Das fordern auch alle Regierungschefs im südlichen Afrika, in deren Ländern der Tourismus einbricht. Hunderttausende Touristen haben ihre Buchungen storniert, der Schaden geht in die Milliarden. Viele befürchten eine Wiederholung der Geschichte: Als Ende 2020 die Beta-Variante in Südafrika entdeckt wurde, dauerte es 291 Tage, bis das Land wieder von der roten Liste des wichtigsten Tourismusmarktes Großbritannien genommen wurde, obwohl schon Monate zuvor die Delta-Variante zur dominierenden wurde.

Nun wird sie von Omikron abgelöst. In Südafrika steigt die Zahl der Fälle stark an. Von 2300 neuen Infektionen am Montag vergangener Woche auf 16 000 am Freitag. Dass die neue Variante deutlich infektiöser ist, gilt als wahrscheinlich. Über die Schwere der Verläufe lässt sich bisher wenig aussagen. "Unsere Krankenhauseinweisungen verdoppeln sich jeden Tag", sagte Fareed Abdullah, Direktor des South African Medical Research Council. Noch aber bewegen sich die Zahlen auf relativ niedrigem Niveau.

Nach seinen Untersuchungen ging in einer Reihe von Krankenhäusern die Zahl der Patienten zurück, die an eine Beatmungsmaschine angeschlossen werden mussten, auch die durchschnittliche Verweildauer sei gesunken. Nach anderen Untersuchungen stieg der Anteil der eingewiesenen Kinder. Die erhöhte Einweisungsrate könne aber auf die erhöhte Vorsicht der Eltern zurückzuführen sein, sagten die Autoren der Studie. Wirklich verlässliche Aussagen über die Gefährlichkeit von Omikron könne man erst in einigen Wochen treffen.

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