Süddeutsche Zeitung

Südafrika:Einig nur in der Kleiderwahl

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Südafrikas ANC versucht sich an einer Erneuerung - doch die alten Kräfte wirken noch.

Von BERND DÖRRIES, Johannesburg

Vor den Toren des Messezentrums von Soweto sieht es so aus, als hätten sich die Besucher in der Veranstaltung geirrt. Oder der ANC sich in der Branche. Auf riesigen Tischen liegen Lederjacken, elegante Kleider, gelbe Hemden, Poloshirts, Mützen und Schals. Alles ausgefallen, alles wirklich schick, alles mit dem Logo des ANC. Wäre die Partei ein Modeunternehmen, man könnte ihr nur gratulieren zu einer wirklich gelungenen Kollektion. Nun ist der ANC aber eine Mischung aus Befreiungsbewegung und Staatspartei, die Südafrika seit 23 Jahren regiert und mit dem Versprechen angetreten ist, aus dem Unterdrücker-Regime der Apartheid eine Vorzeige-Regenbogennation zu machen.

Gelungen ist das bisher eher nicht, das sehen wohl auch die allermeisten der 5000 Delegierten so, die bis Mittwoch einen neuen Vorsitzenden wählen und der Partei auch eine Generalüberholung verpassen wollen. "Erneuerung" ist ein Motto, das überall auf den Wänden des Parteitages steht. Es ist eine riesige Halle, die komplett in Gelb, Grün und Schwarz getaucht ist. Die Mitglieder tragen die gleichen Polohemden, sie tragen die gleichen Rucksäcke und die gleichen Mützen. Viel mehr eint sie nicht. Die Bewegung ist im 105. Jahr ihres Bestehens gespalten und zerfressen von Gier und Korruption. Moralisch ist sie insolvent, aber eben immer noch da.

Carl Niehaus ist auch immer noch da, er steht in einem kleinen Nebenraum, mit ANC-Kappe und Poloshirt. Niehaus ist einer der wenigen Weißen in der Partei, er war ANC-Sprecher, Botschafter Südafrikas in den Niederlanden und vieles mehr, fast alle seine Posten musste er wegen Betrugs oder Urkundenfälschung aufgeben. Vor einigen Tagen erst wurde bekannt, dass er gegenüber Schuldnern behauptete, bald ein großes Erbe seiner Mutter zu erwarten und dies auch mit gefälschten Dokumenten belegen wollte - die Sache flog auf, als sich seine Mutter aus dem Altersheim meldete. So geht das seit Jahren.

In anderen Organisationen wäre das ein Problem, im ANC ist Niehaus ein Sprecher von Nkosazana Dlamini-Zuma, einer der beiden Kandidaten um die Nachfolge von Jacob Zuma. Der Nachname hat bei den meisten Südafrikanern nicht den besten Klang, Zuma hat als ANC-Chef und Präsident das Land geplündert, in einem Maße, das selbst in Afrika erstaunlich ist.

"Ich habe mein Bestes versucht", sagt Präsident Zuma, der das Land geplündert hat

Seine Ex-Frau hat ihm vielleicht nicht geholfen, aber auch nicht versucht, ihn daran zu hindern. Dass sie nun dennoch Chancen hat, ihrem Ex-Mann zu folgen, ist erstaunlich und hat damit zu tun, dass sich das Gefolge ihres Mannes erhofft, dass alles so weiter geht, dass das Geld weiter in ihre Taschen fließt. Ob das tatsächlich so kommen würde, ist eine andere Frage, Personen im engsten Umkreis wie Carl Niehaus sprechen aber nicht unbedingt dagegen. Wie denn die Chancen seiner Chefin stehen? Niehaus grinst und sagt: Sehr gut natürlich.

Ein paar Meter hinter ihm singen die Anhänger der beiden Gruppen, manchmal wirkt das ganze eher wie einer dieser Gesangswettbewerbe im Fernsehen. Entscheidend ist aber eher, was hinter den Kulissen passiert. Beide Seiten haben Delegierte, die sie für anfällig hielten, die Seiten zu wechseln, in den vergangenen Tagen in Hotels einkaserniert, ihnen einen Waschbeutel und etwas zum Essen aufs Zimmer gebracht und sie gebeten, dort zu bleiben. Der Kongress ist für die Leute von Dlamini-Zuma und ihrem Gegenkandidaten Cyril Ramaphosa ein ständiges Durchzählen, wer gerade vorne liegt. Seit Monaten versucht jede Seite, möglichst viele Delegierte zu entsenden, es gab in manchen Regionen erstaunliche Mitgliederentwicklungen, überall waren Gerichte damit beschäftigt zu prüfen, wer ein legitimer Vertreter des ANC ist und wer nicht. Noch am Freitag hatten drei Gerichte etwa 400 Delegierte von Zumas Exfrau für illegal erklärt, was ihre Chancen deutlich schmälerte.

Am Sonntagabend begann die Wahl, Ergebnisse werden erst für Montag erwartet. Das Nachrichtenportal News24 prognostizierte für Cyril Ramaphosa 2633 Stimmen und 2135 für Dlamini-Zuma.

Zuma hielt am Samstag seine letzte Rede als ANC-Präsident. Sie klang, als gäbe es ein Buch "Musterreden für Autokraten", in dem er sich ausgiebig bedient hätte. Er schimpfte auf die Medien, die Gerichte, die Opposition, die Gewerkschaften, die freie Wirtschaft und die Zivilgesellschaft, alle hätten sich verschworen, um dem ANC zu schaden. Es ist eine endlose Rede aus einer anderen Welt, Zuma sieht überall "Imperialismus" und "antirevolutionäre Tendenzen", keinen einzigen Fehler sieht er bei sich. Hin und wieder macht er eine Pause, in der die Delegierten klatschen könnten, meist ist ein höfliches Schweigen die Antwort. Zum Schluss sagt er: "Ich habe mein Bestes versucht." Für einen Moment steht der ganze Saal auf und applaudiert, auch seine ärgsten Gegner, von denen es nicht wenige gibt. Der ANC hat nach der Apartheid schon einmal verziehen, nun will er dies offenbar auch mit seinem Präsidenten tun.

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Quelle:
SZ vom 18.12.2017
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