Süddeutsche Zeitung

Stuttgart 21:Erblindeter Demonstrant fordert Reue von Mappus

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Stuttgart-21-Gegner Dietrich Wagner verlor sein Augenlicht durch einen Wasserwerfer. Nun fordert er: Ministerpräsident Mappus soll sich entschuldigen.

Ein nach dem Wasserwerfereinsatz vom 30. September im Stuttgarter Schlossgarten erblindeter Demonstrant hat eine Entschuldigung vom baden-württembergischen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) bei den Bürgern gefordert. Er sei erzürnt über die Staatsgewalt, durch die er blind geworden sei, sagte der 66 Jahre alte Dietrich Wagner dem Stern.

Durch die Verletzung ist der Senior fast blind. Auf einem Auge kann er laut Bericht nicht mehr sehen, auf dem anderen hat er noch eine Sehfähigkeit von acht Prozent. "Meine Autonomie ist weg, ich muss versorgt werden, wie ein kleines Kind", sagte Wagner. Er könne nicht mehr wie gewohnt Radfahren oder Lesen. Seine Lebensgefährtin helfe ihm bei täglichen Verrichtungen wie beim Rasieren oder Anziehen.

Zugleich betonte der Wagner, keine Mitverantwortung für seine Verletzungen zu tragen. Er habe damit gerechnet, durch den Strahl des Wasserwerfers nass zu werden oder "ein paar blaue Flecken" zu kassieren, "aber nicht, dass ich blind geschossen werde".

Das Foto des aus den Augen blutenden Rentners ging um die Welt. Dietrich Wagner war einer der Demonstranten, die am 30. September gegen die Umwandlung des Stuttgarter Kopfbahnhofs in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof im Schlossgarten protestiert hatten. Bei dem Polizeieinsatz war es zu schweren Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizisten gekommen. Dabei wurden mehr als 100 Menschen verletzt.

Kommunen fordern mehr Transparent bei Großprojekten

Als Konsequenz aus dem umstrittenen Bahnprojekt Stuttgart 21 fordern die Kommunen mehr Transparenz bei Großprojekten. "Man muss die Bürgerbeteiligung modernisieren", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, in Berlin. Große Projekte bräuchten innovative Plattformen wie Diskussionsforen im Internet, auch Planungsunterlagen sollten im Netz veröffentlicht werden.

Dann hätten mehr Bürger Zugang und könnten ihre Einwände vorbringen. Zudem müssten Vorhaben besser mit Informationskampagnen begleitet werden. "Die Bürger müssen über die Kosten informiert werden", betonte Landsberg. Er sprach sich dafür aus, komplizierte Planungsverfahren zu straffen. Zuletzt hatte auch Bundespräsident Christian Wulff für mehr Transparenz beim Bau von Großprojekten plädiert. In Stuttgart hatten sich nach massiven Protesten, bei denen es zu umstrittenen Polizeieinsätzen kam, Gegner und Befürworter auf ein Schlichterverfahren geeinigt.

Darin hatte der frühere CDU-Politiker Heiner Geißler den milliardenteuren Umbau des oberirdischen Kopfbahnhofs in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof grundsätzlich empfohlen. "Schlichtung ist aber nicht generell die Lösung", sagte Landsberg. Solche Verfahren seien zu lang und teuer. Auch Volksabstimmungen hülfen oft nicht weiter, da sie meist nur über ein "Ja" oder "Nein" entschieden. Ziel müsse ein Konsens unter Beteiligung der Bürger sein.

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