Süddeutsche Zeitung

Europawahl:Für Gerechtigkeit, gegen Nationalismus

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Von Mike Szymanski, Berlin

Die Sozialdemokraten rücken die Forderung nach einer stärker sozial ausgerichteten EU ins Zentrum ihres Europawahlkampfes. Die Parteispitze billigte am Montag den Entwurf für ein Wahlprogramm, das unter anderem auf die jeweilige Situation in den Mitgliedstaaten ausgerichtete Mindestlöhne fordert, mehr Steuergerechtigkeit verlangt und nach "gleichwertigeren Lebensverhältnissen" in der EU strebt.

"Im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise der vergangenen Jahre sind Zweifel am europäischen Wohlstandsversprechen gewachsen. Immer noch überwiegen die wirtschaftlichen Interessen der Konzerne zulasten der sozialen Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger", heißt es im 31 Seiten umfassenden Leitantrag, über den am 23. März ein Europakonvent der SPD entscheiden soll.

Justizministerin Katarina Barley, die die SPD als nationale Spitzenkandidatin in die Abstimmung am 26. Mai führen wird, sagte am Montag in der Berliner Parteizentrale: "Wir wollen Europa zu einem sozialen Europa machen." Alle Bürger sollten spüren, dass Europa für sie da sei. Laut Programmentwurf solle kein "Vollzeit-Lohn in der Europäischen Union unter der nationalen Armutsschwelle" liegen. "An jedem Ort in Europa sollen die Menschen von ihrer Hände Arbeit leben können", sagte Barley. Für Deutschland erneuerte Barley die SPD-Forderung, den Mindestlohn deutlich anzuheben, von derzeit 9,19 Euro auf in Zukunft dann zwölf Euro pro Stunde.

Ausführlich und an prominenter Stelle widmet sich die SPD dem Thema Steuergerechtigkeit. Wer Milliardenbeträge erwirtschafte, müsse auch "seinen fairen Anteil für die solidarische Gesellschaft leisten". Das gelte auch für jene Großkonzerne, die mit dem Digitalen ihre Gewinne erwirtschafteten. Es müsse endlich Schluss sein mit dem Wettlauf um die niedrigsten Unternehmenssteuern zwischen den Mitgliedsstaaten. Länder wie Irland haben so Digitalkonzerne angelockt, die in Europa zwar Milliardengewinne erwirtschaften, aber kaum Steuern zahlen. Bis Ende 2020 will die SPD eine "globale Mindestbesteuerung der digitalen Unternehmen" einführen.

Zuletzt war auf EU-Ebene die Diskussion über eine Digitalsteuer vertagt worden. Einzelne Mitgliedstaaten können Beschlüsse blockieren, denn in Steuerfragen sind einstimmige Entscheidungen notwendig. Auch dagegen will die SPD vorgehen: "Die Lähmung durch einzelne Mitgliedsstaaten, die nur ihre Pfründe sichern wollen, muss aufhören", heißt es im Entwurf. Künftig sollen Mehrheitsentscheidungen möglich werden.

Angesichts zunehmender Spannungen in der Welt sieht die SPD die EU stärker gefordert. Europa müsse ein "Gegengewicht" zu Nationalismus und Abschottung bilden. Harsch fällt die Kritik an Amerika und besonders an US-Präsident Donald Trump aus. Jahrzehntelange Allianzen würden "im Twitter-Takt" infrage gestellt. In dem Programmentwurf werden "Russlands Angriffe auf Völkerrecht und Staatensouveränität" und Chinas "aggressive wirtschaftliche Expansion" mit der "egoistischen Politik des America First" in einem Satz genannt. All dies verunsichere die Welt.

Die SPD will als Friedenspartei wahrgenommen werden: "Auch werden wir keinen Zweifel daran lassen, dass wir ein neues atomares Wettrüsten strikt ablehnen: keine neuen Atomwaffen in Deutschland und Europa!" Anstatt national die Rüstungsausgaben weiter zu steigern, setzt die SPD auf europäische Zusammenarbeit. Die Sozialdemokraten pochen auf eine "gemeinsame parlamentarisch kontrollierte europäische Armee". Militärisches Gerät soll künftig zusammen entwickelt und gebaut, der Export aber "restriktiv" gehandhabt werden.

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SZ vom 19.02.2019
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