Süddeutsche Zeitung

Sozialstaat:SPD will Kinderarmut bekämpfen

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Von Henrike Roßbach und Mike Szymanski, Berlin

Die SPD will entschiedener gegen Kinderarmut vorgehen. Nach langer interner Debatte setzen sich die Sozialdemokraten jetzt dafür ein, eine eigenständige Kindergrundsicherung einzuführen. Damit verfolgen sie unter anderem das Ziel, Kinder aus dem Hartz-IV-System herauszuholen. Das geht aus einem Beschlusspapier für die Klausurtagung der Bundestagsfraktion hervor, die an diesem Donnerstag beginnt. In dem Papier, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, heißt es: "Mit Kinderarmut werden wir uns nicht abfinden." Deshalb arbeite die SPD an "einer eigenständigen Absicherung für Kinder".

Dem Papier nach soll noch "in diesem Jahr" ein Konzept vorgelegt werden. Im Kern geht es beim Thema Kindergrundsicherung darum, bestehende Sozialleistungen und steuerliche Förderungen für Familien zu bündeln. Nur noch eine einzige Transferleistung soll den Grundbedarf für Kinder abdecken. Debattiert werden Beträge von etwa 620 Euro, die bei höheren Einkommen abgeschmolzen werden. Sozialverbände halten dieses System für gerechter als den Status quo.

Die Forderung nach einer Grundsicherung für Kinder reiht sich ein in die Strategie der SPD, Kinder-, Familien- und Bildungspolitik "in den Mittelpunkt" ihres politischen Handelns zu stellen, wie es im Beschlusspapier der Fraktion heißt. Die Debatte nimmt damit just zu dem Zeitpunkt Fahrt auf, da Bundesfamilienministerin Franziska Giffey und Sozialminister Hubertus Heil bessere staatliche Leistungen für Familien mit kleinem Einkommen durchsetzen wollen. Am Mittwoch stellten die beiden SPD-Politiker ihr "Starke-Familien-Gesetz" vor, nachdem es vom Kabinett gebilligt worden war.

Das Gesetz verspricht unter anderem einen höheren Kinderzuschlag, ein kostenloses Mittagessen in Schule und Kita und kostenlose Schülerfahrkarten. Giffey und Heil betonten, dass sie die Reform als Basis für eine mögliche Kindergrundsicherung sehen. Man müsse die Dinge "Stück für Stück" ändern, so Heil. Giffey sagte, zunächst würden "suboptimale staatliche Leistungen" verbessert, die Neugestaltung des Kinderzuschlags sei aber "ein Fundament für eine Kindergrundsicherung".

Auch weitere führende Sozialdemokraten machen sich für einen Systemwechsel stark. Je nach Ausgestaltung könnte er Milliarden kosten. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, in dessen Bundesland bereits an einem Konzept für eine Kindergrundsicherung gearbeitet wird, sagte der SZ: "Wir brauchen ein einfaches und bürgerfreundliches System, das insbesondere Kinderarmut wirksam bekämpft." Es sei nicht einzusehen, dass eine eigentlich wohlhabende Gesellschaft für dieses Problem bislang keine befriedigende Lösung gefunden habe. Bremens Bürgermeister Carsten Sieling (SPD), der im Mai Bürgerschaftswahlen zu bestehen hat, nannte die Einführung einer Kindergrundsicherung "unabdingbar". Allein in Bremen und Bremerhaven würden mehr als 35 000 Kinder davon profitieren. "Den Sozialstaat wieder stark zu machen", sei die beste Unterstützung, die er im Wahlkampf von seiner Partei bekommen könne.

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Quelle:
SZ vom 10.01.2019
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