Süddeutsche Zeitung

Philanthropie:Europas Schicksal treibt ihn um

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"Viele träumen davon, die Welt zu verbessern, ich bin in der glücklichen Lage, es zu tun": Der Milliardär George Soros ist 90 Jahre alt geworden.

Von Alexandra Föderl-Schmid, München

Körperlich wirkt er inzwischen gebrechlich, aber sein Kampfgeist ist ungebrochen: Jedes Jahr breitet George Soros am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos seine Einschätzungen zur Weltlage vor Journalisten aus, es ist für viele ein Fixtermin. Meistens geht es um Europa. Das Schicksal dieses Kontinents, seiner alten Heimat, treibt Soros um - auch an seinem 90. Geburtstag. Er plädiert in einem Interview für ein Erlassen der Schulden der ärmeren Länder und warnt erneut davor, dass die Europäische Union auseinander driftet.

Seine Worte finden Gehör, seine Aktivitäten werden weltweit beobachtet: Soros gilt als eine der umstrittensten Größen der Finanzwelt. Als abgezockter Hedgefondsmanager spekulierte er im großen Stil gegen ganze Volkswirtschaften und zwang die Bank von England in die Knie, als Philanthrop spendet er immense Summen, um vor allem in Osteuropa offene Gesellschaften zu fördern.

Soros polarisiert. Sein Name taucht auch immer wieder in Verschwörungstheorien auf. Mit antisemitischer Grundierung wird er als Finanzspekulant bezeichnet, der Europa mit Flüchtlingen "überfluten" wolle und die Flüchtlingspolitik diktiere. Die Vorwürfe von Regierenden in Ungarn, Polen, Rumänien und sogar Israel ähneln sich: Soros finanziere zivilgesellschaftliche Organisationen, um die Länder ins Chaos zu stürzen. Unter dem Deckmantel der Demokratisierung wolle er Regierungen destabilisieren und nationale Identitäten zerstören.

Etwas zu riskieren hielt er immer für den sichereren Weg

Insbesondere in seiner Heimat Ungarn wird er als Staatsfeind und "Mafiapate" denunziert. Dabei konnte Regierungschef Viktor Orbán dank eines von Soros finanzierten Stipendiums in Oxford studieren. Als György Schwartz wurde er am 12. August 1930 in Budapest geboren. Unter falschem Namen überlebte die jüdische Familie in verschiedenen Verstecken die Nazizeit. Sein Vater Tivadar, ein Anwalt und Esperanto-Enthusiast, beschrieb diese Zeit in seinen "Memoiren eines Überlebenskünstlers". Auf dieses Buch kommt auch sein Sohn häufig zu sprechen. Vom Vater habe er gelernt, "dass es sicherer ist, etwas zu riskieren, als passiv zu sein". Diese Lektion aus der Nazi-Zeit prägte sein Verhalten als Geschäftsmann, genauso wie seine Erfahrungen als Flüchtling. 1947 floh er vor dem Kommunismus aus Ungarn nach London, studierte dort an der London School of Economics und wurde Schüler des Philosophen Karl Popper, seines zweiten großen Vorbilds.

Poppers Theorie der offenen Gesellschaft wurde für ihn zur Motivation seiner Aktivitäten als Mäzen. "Als Jude in Ungarn geboren, habe ich die Nazi- und Sowjetokkupation überlebt. Ich lernte früh, wie wichtig es für das Wohlergehen und das Überleben ist, welche Form des politischen Systems herrscht", schreibt er in einem Buch.

Seine "Open Society Stiftungen" wurden Ziel von Angriffen in vielen Ländern. Als seine Privatuniversität "Central European University" (CEU) in Budapest schließen musste, gründete Soros sie 2019 in Wien neu. Zur Eröffnung reiste er an und bezeichnete diese Universität als Vermächtnis: "17 000 Studenten aus aller Welt haben ihren Abschluss gemacht. Wenn sie in ihre Heimatländer zurückkehren, übernehmen sie oft Führungsaufgaben in Demokratien, die sich entwickeln. Darauf bin ich besonders stolz."

Was ihn weiter umtreibt, ist, eine Wiederwahl von Donald Trump als US-Präsident zu verhindern, den er bei einem Auftritt in Davos "Möchtegerndiktator" nannte. "Trump steht für das Gegenteil der offenen Gesellschaft." Wenn man ihn nach seiner Motivation fragt, antwortet der Milliardär: "Viele träumen davon, die Welt zu verbessern, ich bin in der glücklichen Lage, es zu tun. Ich mache das, solange ich lebe."

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Quelle:
SZ vom 13.08.2020
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