Süddeutsche Zeitung

Sorgerecht:Vatertag im Dezember

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Wenn Mutter will, bleibt Vater rechtlos: Das deutsche Sorgerecht benachteiligt unverheiratete Väter. Jetzt können sie auf ein Urteil des Gerichtshofs für Menschenrechte hoffen.

Heribert Prantl

Für viele Väter von nichtehelichen Kindern fällt heuer Weihnachten auf den 3. Dezember; und dieses vorgezogene Weihnachtsfest ist für sie zugleich ein erster Vatertag: An diesem Donnerstag wird der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Entscheidung fällen, die diesen Vätern ein Geschenk macht. Unverheiratete Väter, die nach deutschem Recht bisher nur Zahlväter waren, sollen mehr Rechte erhalten.

Bisher ist es in Deutschland so, dass der nichteheliche Vater nur dann das Sorgerecht ausüben darf, wenn die Mutter einverstanden ist - und auch dann nur zusammen mit der Mutter. Der Gerichtshof in Straßburg wird das aller Voraussicht nach deutlich missbilligen, als Verstoß gegen Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention, der das Familienleben schützt. Der deutsche Gesetzgeber wird sodann ein neues Sorgerecht für nichteheliche Kinder schreiben müssen, ein Sorgerecht, in dem auch engagierte Väter zu ihrem Recht kommen.

Nun ist es zwar nicht gerade die Regel, dass die Zahlväter danach drängen, sich intensiv um ihr Kind zu kümmern: Eine Mehrheit der nichtehelichen Väter - bis zu achtzig Prozent - macht schon bei der Zahlung des Unterhalts Sperenzchen. Es gibt aber eine liebende Minderheit von nichtehelichen Vätern, die nicht nur pünktlich zahlen, sondern sich auch um ihr Kind kümmern wollen - derzeit aber absolut kein Recht dazu haben, wenn die Mutter nicht will: Sie allein kann bestimmen, ob das Kind den Kindergarten besucht, in welche Schule es gehen soll, welche Ärzte bei Krankheit konsultiert werden; der Vater hat hier kein Wort mitzureden. Und selbst wenn er sein Recht auf ein bisschen Umgang mit seinem Kind reklamiert, kann die Mutter dies hintertreiben.

Das Bundesverfassungsgericht hat diese Abhängigkeit des Vaters vom Wollen der Mutter vor knapp sieben Jahren gebilligt - mit der Begründung: lieber kein Sorgerecht als dauernden Streit. Aber was ist in den Fällen, in denen die Eltern unverheiratet jahrelang zusammengelebt haben? Das Gesetz lässt dem Vater auch hier keine Möglichkeit, für sein Kind Sorge zu tragen.

Wenn die Mutter das so will, bleibt der Vater rechtlos, wie eng auch immer der Kontakt zwischen Vater und Kind zuvor gewesen sein mag. Die Aufforderung aus Karlsruhe, doch bitte zu prüfen, ob man diesen Vätern nicht einen besseren Zugang zu einem gemeinsamen Sorgerecht geben könnte, hat der Gesetzgeber überhört.

Die deutsche Rechtslage bei nichtehelichen Kindern ist also völlig anders als bei ehelichen: Bei Letzteren ist das gemeinsame Sorgerecht mit der Kindschaftsreform von 1998 zum Regelfall geworden. Es steht mit der Geburt beiden Elternteilen zu und bleibt zumeist nach einer Scheidung bestehen. Bei den nichtehelichen Kindern gibt es dagegen ein striktes Müttermonopol. Dieses Monopol wird wohl nun vom Europäischen Menschenrechts-Gerichtshof verworfen werden. Er wird Deutschland vorschreiben, dem Vater auch gegen den Willen der Mutter Zugang zum gemeinsamen Sorgerecht zu eröffnen.

Über die Details wird man dann penibel nachdenken müssen. Vielleicht ist die gemeinsame Sorge auch nicht immer der Königsweg. Derzeit gibt es Fälle, bei denen nichteheliche Kinder zwar beim Vater aufwachsen, diesem aber kein Sorgerecht zusteht, weil die Mutter nicht bereit ist, es mit ihm zu teilen oder auf ihn übertragen zu lassen.

Kinder sind kein Faustpfand in der Hand von Mutter oder Vater - das wird die Maxime für das neue Sorgerecht sein müssen.

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SZ vom 01.12.2009
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