Süddeutsche Zeitung

Koalitionsstreit:Union und SPD bei Grundrente offenbar kurz vor Einigung

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Von Wolfgang Wittl, München

Union und SPD stehen im Streit um die Grundrente offenbar kurz vor einer Einigung. "Wir sind optimistisch, nächste Woche zu einer Lösung zu kommen", sagte CSU-Chef Markus Söder am Mittwoch der Süddeutschen Zeitung. Im Gegenzug fordert Söder ein Entgegenkommen der SPD zur Stärkung der Konjunktur: "Wir brauchen ein großes Leistungspaket, mit dem die große Koalition zeigt, dass sie noch groß handeln kann." Söder verlangt spürbare Entlastungen für die Wirtschaft. So soll die Unternehmensteuer laut CSU von 32 auf 25 Prozent gesenkt werden. Zudem soll die Senkung der EEG-Umlage vorgezogen werden, um Strom günstiger zu machen.

Wenn sich der Koalitionsausschuss am Montagabend in Berlin trifft, sollen die wichtigen Fragen zur Grundrente geklärt sein. An diesem Donnerstag verhandelt die Arbeitsgruppe noch über Details. So könnte der zuletzt diskutierte Einkommensfreibetrag von 1200 Euro künftig zwischen 800 und 900 Euro liegen. Die Gesamtkosten für die Grundrente sollen unter zwei Milliarden Euro bleiben.

Der größte Streitpunkt: Die SPD forderte eine Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung, die Union dagegen pochte auf den Koalitionsvertrag, der eine solche Prüfung vorsieht. Söder sagte, man müsse die Summe der Gesamteinkünfte betrachten. Auch für die CSU gelte: "Wir wollen eine Gerechtigkeitslücke schließen."

Ihre Kompromissbereitschaft will sich die CSU durch niedrigere Unternehmensteuern und Strompreise entlohnen lassen - eine bis zu zehn Milliarden Euro teure Entlastung der Wirtschaft. Finanziert werden soll sie durch Steuermehreinnahmen des Bundes. Söders Kalkül: Mit der Einigung bei der Grundrente und einem Konjunkturpaket könnten SPD und Union jeweils wichtige Erfolge für sich verbuchen, die große Koalition hätte ihre Handlungsfähigkeit bewiesen. "Wir wollen die Wettbewerbsfähigkeit mit dem sozialen Charakter verbinden", sagte Söder.

Söders Vorstoß ist auch als Appell der Mäßigung an die Kritiker der großen Koalition zu verstehen - in der SPD wie in der Union. Die Wähler dürften erwarten, dass das Land vernünftig regiert werde, sagte Söder. "Wir dürfen uns heute nicht mit Personalfragen, sondern mit Sachfragen beschäftigen." Mit wachsendem Missfallen wird in der CSU beobachtet, wie die Regierungsarbeit durch offene Machtfragen in CDU und SPD erschwert wird. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) etwa hat seine Partei aufgerufen, im Streit um die Grundrente hart zu bleiben. In der CSU vermutet man dahinter persönliche Motive für eine Kanzlerkandidatur.

Söders CSU, die alle Machtkämpfe hinter sich hat, will sich ihrerseits als stabiler Anker der Koalition präsentieren. Sie hat kein Interesse an vorzeitigen Neuwahlen. So soll eine Einigung bei der Grundrente wohl auch die Chancen von Finanzminister Olaf Scholz im Kampf um den SPD-Vorsitz verbessern. Scholz möchte die große Koalition fortsetzen. Von einer Mitgliederbefragung, wie sie auch in der Union diskutiert wird, hält Söder nichts. Wie man an der SPD beobachten könne, führe eine Urwahl nur zu "Ernüchterung statt Revitalisierung".

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Quelle:
SZ vom 31.10.2019
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