Süddeutsche Zeitung

Nordmazedonien:Der sinkende Stern von Skopje

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Ministerpräsident Zoran Zaev hat viel versprochen, aber kaum etwas davon eingelöst. Nun kündigt er seinen Rücktritt an, was den nationalistischen Strömungen neue Chancen eröffnen könnte.

Von Florian Hassel, Belgrad

Als Zoran Zaev, Ministerpräsident und Chef der Sozialdemokraten in Nordmazedonien, nach einer Niederlage in lokalen Wahlen seinen Rücktritt von beiden Ämtern ankündigte, nutzte der Präsident des benachbarten Serbien dies sofort für einen Seitenhieb in Richtung Europa. Zaevs Niederlage liege auch an der Enttäuschung seiner Landsleute mit den unerfüllten Beitrittsversprechen zur EU, kommentierte Präsident Aleksandar Vučić, dessen Land vor allem wegen fehlender Reformen und autokratischem Regieren auf dem Weg zur EU ebenfalls kaum vorangekommen ist.

Auch in Nordmazedonien hatte sich Zaev die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen zur EU zum Ziel gesetzt, als er im Frühjahr 2017 die elf Jahre lange Herrschaft des Autokraten Nikola Gruevski und seiner nationalistischen Partei VMRO DPMNE beendete. Tatsächlich schien der Weg offen, nachdem Zaev 2018 in einem Deal mit Griechenland die Umbenennung seines Landes in "Nordmazedonien" vereinbarte, damit Athens Angst vor Ansprüchen auf seine eigene Region Mazedonien beseitigte und das Veto gegen den Beginn von EU-Gesprächen mit Skopje. Ein weiterer Erfolg kam im März 2020, als Nordmazedonien Nato-Mitglied wurde.

Doch die Erfolge traten dann in den Hintergrund: 2020 legte Bulgarien wegen eines zweitrangigen Geschichts- und Sprachenstreits sein Veto gegen EU-Aufnahmegespräche mit Nordmazedonien ein. Zaev stand mit leeren Händen da. Doch selbst wenn die EU Aufnahmegespräche begonnen hätte, wäre das womöglich nicht ausreichend gewesen, um seinen politischen Abstieg zu verhindern.

Denn Zaev und seine Sozialdemokraten traten 2017 mit großen Versprechen an: sie wollten Schluss mit dem Regime Gruevski machen, das sich auf illegale Geheimdienstaktionen stützte; sie wollten Korruption und den Nepotismus beenden, der sich darin zeigte, dass politische Loyalität mit Jobs in Ministerien, Behörden oder Staatsfirmen gekauft oder belohnt wurde. Der aufgeblasene Staatsapparat sollte drastisch verkleinert, die Justiz endlich reformiert, die Wirtschaft gefördert werden.

Es gibt keinen erkennbaren Nachfolger

Keines der Versprechen wurde eingelöst: Ein Report des Verwaltungsministerium stellte fest, dass in der Zeit von Zaev im nur gut zwei Millionen Bürger kleinen Nordmazedonien 4177 neue Beamte, 3220 befristete Arbeitskräfte und 8800 Beschäftigte bei staatlichen oder städtischen Betrieben hinzukamen, so der Fachdienst Le Courrier des Balkans. Auch handfeste Korruptionsskandale blieben nicht aus. 2020 fiel Nordmazedonien im Korruptionswahrnehmungindex von Transparency International auf Platz 111 - die schlechteste je erreichte Platzierung.

Der Verlauf der Corona-Pandemie und erst spät eintreffende Impfstoffe kratzten ebenfalls an Zaevs Ruf. Die Quittung kam bei Lokalwahlen am 14. und 31. Oktober: Viele Nordmazedonier gingen gar nicht erst wählen; die es taten, wählten oft wieder die rechte VMRO DPMNE.

Wie es politisch weitergeht, ist offen. Für Zaev gibt es keinen offensichtlichen Nachfolger. Im 120 Sitze starken Parlament hat seine aus vier Parteien bestehende Koalitionsregierung nur eine Mehrheit von zwei Sitzen - seine Regierungspartner forderten ihn zum Rücktritt vom Rücktritt auf. Kleinere Parteien könnten auch zur VMRO DPMNE überlaufen und für einen Regierungswechsel sorgen. Sogar eine vorgezogene Neuwahl ist möglich.

Ein Regierungswechsel zurück zur VMRO DPMNE hätte nicht nur für die Nordmazedonier Folgen, sondern auch außenpolitisch. Vorgänger Gruevski pflegte die Nähe zu Russland und anderen autokratischen Regimen, die Zoran Zaev aufgab. Nachdem Gruevski vor Strafverfolgung nach Ungarn floh und dort Asyl bekam, gab sich die VMRO DPMNE geläutert und pro-europäisch, doch Zweifel sind angebracht. Die historische Übereinkunft mit Griechenland lehnte die Partei 2018 ebenso ab wie zuvor bereits eine Annäherung an Bulgarien und den Abschluss eines Freundschaftsvertrages.

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