Süddeutsche Zeitung

Freilassung von Deniz Yücel:Özdemir warnt vor naivem Umgang mit der Türkei

Lesezeit: 1 min

Von Stefan Kornelius

Nach der Freilassung des Journalisten Deniz Yücel hat der frühere Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir vor einer Beschwichtigungspolitik gegenüber der Türkei gewarnt. Jedes Signal der Versöhnung werde von der AKP-Regierung "als Entschuldigung" interpretiert. "Wir laden sie geradezu dazu ein, noch mehr über die Stränge zu schlagen", sagte Özdemir der Süddeutschen Zeitung. "Wir bedanken uns überschwänglich und gleichzeitig werden in der Türkei vier Journalisten zu lebenslanger Haft verurteilt. Geht's noch?"

Özdemir nahm ein eigenes Erlebnis am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz zum Anlass, um vor Naivität zu warnen. Der Bundestagsabgeordnete war im selben Hotel wie die türkische Delegation untergebracht, was zu erheblicher Unruhe unter den türkischen Sicherheitskräften geführt haben soll. Nach der ersten Nacht fand Özdemir eine Gruppe von deutschen Polizeibeamten vor seiner Tür, die zu seinem Schutz abgestellt worden war.

Offenbar hatte die türkische Delegation sich über "einen Terroristen" im Hotel beschwert - der wohl Özdemir sein sollte. Auch Özdemir selbst soll sich laut Polizei bedroht gefühlt haben. Der Terroristen-Vorwurf sei aber nicht aktenkundig, so die Polizei. Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu äußerte sich persönlich zu dem Vorgang und nannte die Darstellung unwahr. Özdemir wolle sich wichtig machen.

Der Grünen-Politiker steht nur bei öffentlichen Auftritten unter Personenschutz. In München wurden ihm nach dem Zusammentreffen im Hotel drei Beamte zur Seite gestellt, die ihn ständig begleiteten. Ihm wurde angeraten, den Kontakt mit der türkischen Delegation zu meiden. Die Polizei hielt den Personenschutz für angeraten, um die Spannungen abzubauen, hieß es. Es habe aber "keine konkrete Bedrohung" gegeben.

Im Mai 2017 hatten türkische Personenschützer bei einem Besuch Präsident Recep Tayyip Erdoğans in Washington Demonstranten verprügelt. Gegen sie wurde Anklage erhoben, es kam zu schweren diplomatischen Verwicklungen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3872598
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 19.02.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.