Süddeutsche Zeitung

Schweden:Donner aus Jerusalem

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Schwedens Außenministerin Margot Wallström ist wegen einer wenig diplomatischen Äußerung von Israel zur unerwünschten Person erklärt worden. Es ist nicht das erste Mal, dass sie sich dort äußerst unbeliebt gemacht hat.

Von Peter Münch und Silke Bigalke, Tel Aviv/Stockholm

Die Verstimmung hat sich aufgestaut, nun sind die Beziehungen zwischen Israel und Schweden auf einem Tiefpunkt angelangt: Die Regierung in Jerusalem erklärte die Stockholmer Außenministerin Margot Wallström zur Persona non grata. Der Grund: Wallström forderte im schwedischen Parlament, die Tötung von mehr als 140 Palästinensern durch israelische Sicherheitskräfte in der jüngsten Welle der Gewalt "gründlich und glaubwürdig zu untersuchen". Sie zieht damit die israelische Lesart in Zweifel, dass die von Sicherheitskräften abgegebenen tödlichen Schüsse stets rechtmäßige Antwort auf palästinensische Angriffe sind, bei denen seit Anfang Oktober 24 Israelis umkamen.

Zurückhaltung gehört in solchen Fällen nicht zum Repertoire israelischer Diplomatie. Ein Sprecher des Jerusalemer Außenministeriums warf Wallström "aufwieglerisches und aggressives" Verhalten vor. Vize-Außenministerin Tzipi Hotovely kündigte sogar an, "Israel hat beschlossen, die Tür für schwedische Regierungsvertreter zu schließen." Später wurde klargestellt, dass kein Abbruch der diplomatischen Beziehungen gemeint war und die Strafaktion allein Wallström betreffe. Auf dem Gipfel der Aufwallung stand Ex-Außenminister Avigdor Lieberman. "Das Einzige, was uns die schwedische Außenministerin noch nicht angetan hat, ist, sich persönlich den palästinensischen Terroristen anzuschließen", meinte er. Er forderte einen Boykott von Ikea und Volvo, nahm aber wohl in einem Anflug von Sentimentalität Abba ausdrücklich von der Kollektivstrafe aus.

So prall wie Israels Wut, ist die Freude der Palästinenser. Ein Sprecher in Ramallah forderte alle Staaten auf, sich an Wallströms "mutiger und humaner Position" ein Beispiel zu nehmen. Die sozialdemokratische Regierung in Stockholm gilt in Palästina als Unterstützerin, seit sie es 2014 als Staat anerkannt hat. Der Schritt war Margot Wallströms erste Amtshandlung als Außenministerin, Schweden das erste EU-Mitglied, das ihn ging. Wallström hoffte auf eine Vorreiterrolle Schwedens. Stattdessen wurde ihre Entscheidung selbst zu Hause als unüberlegt kritisiert. Die Opposition warf ihr vor, Schwedens Image als neutraler Vermittler aufs Spiel zu setzen.

Die Regierung wird seither nicht müde zu betonen, dass sie im Konflikt zwischen Israel und Palästina nur gleiche Voraussetzungen schaffen wolle. "Ich wehre mich gegen jeden Versuch, Schweden, die schwedische Regierung oder mich selbst als Feind Israels darzustellen", sagte Wallström zu dem neuen Konflikt. Doch ihr Verhältnis zu Israel hat sich nie erholt von der Anerkennung Palästinas. Zwar schickte Jerusalem den eilig abgezogenen israelischen Botschafter nach Stockholm zurück. Doch eine geplante Israel-Reise musste Wallström 2015 absagen, man wollte sie nicht empfangen. Im November gab es neuen Streit: Wallström stellte in einem TV-Interview einen Zusammenhang zwischen den Attentaten in Paris und der Lage der Palästinenser her. Israels Regierung bestellte erbost den schwedischen Botschafter ein.

Israel ist nicht das einzige Land, das Wallström mit oft emotionalen, wenig diplomatischen Äußerungen verärgert hat. Saudi-Arabien rief den Botschafter aus Stockholm ab, als die Schwedin dem Land "mittelalterliche Methoden" bei der Bestrafung des Bloggers Raif Badawi vorwarf. Wallström nennt ihre Politik "feministisch", mit Fokus auf Gleichberechtigung von Frauen und Schutz von Menschenrechten.

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SZ vom 15.01.2016
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