Süddeutsche Zeitung

Schulz:Außenseiter - weil er es will

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Sigmar Gabriel reüssiert als Außenminister, die Begeisterung über Martin Schulz droht abzuebben. Dennoch hat der SPD-Kanzlerkandidat richtig entschieden, als er kein Ministeramt übernehmen wollte.

Kommentar von Nico Fried

Nicht viel gehört von Martin Schulz in letzter Zeit. Die Kanzlerin sprach am Donnerstag im Bundestag zum Brexit, der Außenminister machte Furore mit diplomatischen Kabbeleien in Israel. Eine Regierungserklärung im Parlament, obwohl meist nicht besonders aufregend, sichert Angela Merkel in der Regel mindestens eine prominente Nachricht im Fernsehen; Sigmar Gabriel kann sich schon deshalb der Aufmerksamkeit sicher sein, weil einstweilen jeder Besuch in einem anderen Land sein erster Besuch im neuen Amt ist. Und wo ist Schulz?

Die großmediale Zurückhaltung des SPD-Kandidaten ist gewollt. Aber ist sie auch gut für ihn? Schulz hat kein Bundestagsmandat und er hat bei seinem Wechsel aus Brüssel nach Berlin auf ein Ministeramt verzichtet. Zum letzten Koalitionsausschuss erschien der Parteivorsitzende erst nach wiederholter Aufforderung. Martin Schulz soll mit der in der SPD so unbeliebten schwarz-roten Regierung so wenig wie möglich zu tun haben. Er soll die Sozialdemokraten mit der großen Koalition nicht versöhnen, er soll sie davon erlösen.

Nach den ersten Wochen des Schulz-Hypes, der sich aus dem Reiz des Neuen speiste, zeigt sich nun erstmals das Risiko dieser Strategie des selbst gewählten Außenseitertums. Wer amtiert, bekommt das öffentliche Interesse qua Funktion; wer sich um ein Amt bewirbt, muss sich die Aufmerksamkeit selbst erzeugen. Wer regiert, kann handeln; wer kandidiert, kann einstweilen nur versprechen.

Während andere reüssieren, ist der Kanzlerkandidat abgetaucht

Gabriel erreicht als Außenminister Zustimmungswerte, die er sich immer gewünscht haben mag, aber in früheren Funktionen nie erhoffen durfte. Kein anderes Amt poliert das Image eines deutschen Politikers so gründlich wie das Auswärtige. Trotzdem war es richtig von Schulz, dieses Amt nicht zu übernehmen. Jeder Außenminister lebt auch von einer gewissen Symbiose mit dem Regierungschef und der grundsätzlichen Einigkeit über die deutsche Außenpolitik. Deshalb konnte Joschka Fischer 2002 Gerhard Schröders rot-grüner Koalition zur Wiederwahl verhelfen. Deshalb nützten umgekehrt Frank-Walter Steinmeier seine Popularitätswerte als Außenminister 2009 nichts, als er in den Wahlkampf gegen Angela Merkel zog.

Schulz muss an anderer Stelle liefern: In Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen bei den Landtagswahlen. Offenkundig ist das schon jetzt schwerer als vermutet. Das zeigt aber auch, dass selbst im Falle von sozialdemokratischen Siegen in Kiel und Düsseldorf die Strecke bis zur Bundestagswahl extrem lang sein wird, auf der die Welle der Begeisterung über Schulz nicht verebben darf.

Je länger zudem das Duo Merkel/Gabriel harmoniert, desto schwerer wird für Schulz ein Wahlkampf gegen die große Koalition. Das gilt umso mehr, weil die SPD schon jetzt in zwei Lager fällt: ein rot-rot-grünes und ein Ampel-Lager, das mit der FDP regieren will. Dazu mal ein klärendes Wort zu sagen wäre Schulz übrigens als Parteichef durchaus berufen. Und öffentliches Interesse wäre ihm auch gewiss.

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Quelle:
SZ vom 28.04.2017
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