Süddeutsche Zeitung

Saudi-Arabien:Alltag nach den Anschlägen

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Riad müht sich, Normalität zu demonstrieren.

Von Daniel Brössler und Dunja Ramadan, München/Berlin

In Saudi-Arabien gibt man sich nach den Anschlägen auf die beiden Ölanlagen im Osten des Landes bemüht unerschrocken. Die staatsnahe Zeitung Okaz titelt in dickem, rotem Schriftzug: "Saudi-Arabien wankt nicht". Der staatsnahe Fernsehsender Al-Arabiya bemüht sich um Bilder der Normalität und besucht den ersten Schultag einer Grundschule in Abqaiq, dort, wo die größte Ölfabrik des Landes am Samstag noch in Flammen stand. Der Schulleiter blickt ernst in die Kamera, gibt sich aber größte Mühe gelassen zu wirken. "Heute fehlt kein einziger Schüler. Das ist so kurz nach den Sommerferien fast nie der Fall", sagt er. Dann ein Schwenk ins volle Klassenzimmer. Jungs in weißen Gewändern tun so, als würden sie die Kamera gar nicht sehen. Doch ihr Grinsen verrät sie. Alles wie immer, so das Signal an die Bevölkerung.

Und doch ist nichts wie immer. Am Dienstag nahm der saudische König Salman die internationale Gemeinschaft in die Verantwortung. Die "feigen Angriffe" hätten nicht nur auf die Ölanlagen des Landes abgezielt, sondern auch auf die internationale Ölversorgung. Die Verantwortlichen für diese "Aggressionen" müssten abgeschreckt werden, erklärte das Kabinett am Dienstag. Bereits am Abend zuvor hatte das Außenministerium in Riad verkündet, man wolle UN-Experten und internationale Fachleute einladen, damit sie sich an den laufenden Ermittlungen beteiligen. Auf Basis der Ergebnisse werde Riad angemessene Maßnahmen ergreifen, hieß es. Das Königreich habe die "Kapazität und Entschlossenheit", sein Land und seine Bürger zu verteidigen und "energisch auf diese Aggressionen zu reagieren".

Wer hat die Ölanlagen bombardiert? Iran streitet jegliche Beteiligung ab

Zuvor hatte der saudische Militärsprecher der Koalition in Jemen, Turki al-Maliki, gesagt, man glaube nicht, dass die Angriffe von Jemen aus gestartet seien. Die von Iran unterstützte schiitische Huthi-Miliz in Jemen hat die Verantwortung für die Angriffe übernommen. Aber, so Al-Maliki, man sei sich sicher, dass "iranische Waffen" dabei verwendet worden seien. Auch Washington glaubt, dass Iran hinter den Anschlägen steckt.

Teheran streitet jegliche Beteiligung ab. Am Dienstag verkündete Irans Oberster Führer Ali Khamenei im Staatsfernsehen, ein Treffen mit US-Präsident Donald Trump bei der UN-Vollversammlung nächste Woche in New York sei nur mit Partnern des Atomabkommens möglich. Aber nur, so Khamenei, "falls die Amerikaner das, was sie gesagt und getan haben, zurücknehmen und bereuen". US-Außenminister Mike Pompeo hatte am Wochenende Iran direkt beschuldigt. Trump ruderte am Montag zurück und sagte, bevor kein "definitiver Beweis" vorliege, sehe man von Vergeltungsaktionen gegen Iran ab.

Anfang der Woche befeuerten die USA Spekulationen nach den Urhebern der Angriffe. Auf Satellitenaufnahmen sind die Schäden an den beiden Ölanlagen zu sehen. Sowohl Drohnen als auch Raketen sollen von Norden oder Nordwesten eingesetzt worden sein - was bedeuten würde, dass sie entweder von iranischem oder irakischem Territorium abgefeuert worden sind. Aus diesen Spekulationen versucht sich Deutschland herauszuhalten. Man warte die "Erkenntnisse der Beteiligten ab", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Dienstag nach einem Treffen mit dem jordanischen König Abdullah II. in Berlin. Noch gebe es "kein abschließendes Bild". Forderungen aus der Unionsfraktion nach einer Aufhebung des Rüstungsexportstopps nach Saudi-Arabien erteilte sie eine Absage. Merkel verwies darauf, dass der Exportstopp mit Blick auf die Rolle Saudi-Arabiens im Jemenkrieg verhängt worden sei. Hier zeige sich, wie dringend die Suche nach einer diplomatischen Lösung sei - "auch wenn das im Augenblick sehr schwierig aussieht".

Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Jürgen Hardt (CDU), hatte zuvor ein Ende des Rüstungsexportstopps gefordert. Es zeige sich, dass der Selbstschutz Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate auch im Stabilitätsinteresse Deutschlands liege, hatte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) gesagt. Dies war sowohl in der Koalition als auch vonseiten der Opposition auf Widerspruch gestoßen. Ohne eine Verlängerung würde der Rüstungsexportstopp nach Saudi-Arabien am 30. September auslaufen.

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Quelle:
SZ vom 18.09.2019
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