Süddeutsche Zeitung

Russland:Ksenija Sobtschak aus Russland geflüchtet

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Die oppositionelle Moderatorin, eine der bekanntesten Frauen in Russland, ist nach Vorwürfen der Behörden nach Litauen ausgereist.

Von Frank Nienhuysen, München

Sie kaufte erst ein Flugticket nach Dubai, dann eins in die Türkei, ging dann aber zu Fuß über die Grenze. Ksenija Sobtschak, in dunkler Jacke, mit Baseballkappe, hat Russland auf dem Landweg verlassen. Die Starmoderatorin, Eigentümerin einer Medienholding und ehemalige russische Präsidentschaftskandidatin reiste in der Nacht auf Mittwoch nach Belarus und von dort nach Litauen. Das EU-Land ließ die Russin trotz eines Einreisestopps für russische Staatsbürgerinnen und -bürger hinein, weil Sobtschak seit einem halben Jahr auch einen israelischen Pass hat. Russische Beamte, die sie festnehmen wollten, warteten währenddessen vergeblich am Moskauer Flughafen Wnukowo.

Sobtschak, 40, wird von den russischen Ermittlungsbehörden verdächtigt, mit ihrer Medienholding "Vorsicht, Medien" in einen Erpressungsfall gegen den Staatskonzern Rostec verwickelt zu sein. Am Tag vor ihrer Ausreise war ihr Mediendirektor Kirill Suchanow in einem Moskauer Restaurant festgenommen worden. Er soll über Telegram-Kanäle Geld für eine kritikfreie Berichterstattung verlangt haben. Sobtschak selbst galt zunächst noch nicht als Verdächtige, obwohl am Mittwoch ihre Villa im Moskauer Umland durchsucht wurde. Doch dann wurde auch gegen sie ermittelt. Bis zu 15 Jahre Haft drohten ihr, berichteten russische Medien.

Kurz vor ihrer Flucht hatte Sobtschak geschrieben, dass die Festnahme ihres Managers ein Angriff auf ihr Medienteam sei, des "letzten noch freien verbliebenen in Russland". Zu ihrer Holding gehören der Telegram-Kanal "Vorsicht, Nachrichten" und der Youtube-Sender "Vorsicht, Sobtschak", die mehrere Millionen Abonnenten haben und auch kritische Beiträge veröffentlichen.

Sie soll Putins Patenkind sein

Sobtschak zählt zu den bekanntesten Persönlichkeiten Russlands. Sie ist die Tochter von Anatolij Sobtschak, des ersten frei gewählten Bürgermeisters von Sankt Petersburg. Ihr Vater war einst Chef und Förderer von Wladimir Putin, der damals sogar die Patenschaft für Ksenija Sobtschak übernommen haben soll, bestätigt ist das allerdings nicht.

Nach einem Studium im Fach Internationale Beziehungen stieg sie zur gefragten Moderatorin und einem Liebling des Boulevards in Russland auf. Als sich Sobtschak Ende 2011 an Massenprotesten gegen den Kreml beteiligte, wurde sie verdächtigt, dies in heimlicher Absprache mit der politischen Führung zu tun, obwohl sie viel aufs Spiel setzte. Als sie 2018 bei der Präsidentschaftswahl gegen Putin antrat, wurde Ähnliches gemutmaßt. Offenbar konnten sich viele einfach nicht vorstellen, dass sie gegen den Kurs Moskaus opponierte. Genau dies tat sie aber - und verlor ihre herausgehobene Stellung in den staatlichen Medien, der Werbung, der russischen Gesellschaft. Mit ihrer Ausreise hat sie nun verhindert, auch ihre Freiheit zu verlieren.

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