Süddeutsche Zeitung

Russland in der Ukraine-Krise:Auf und ab mit Putin

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Es gibt zwei verlässliche Indikatoren dafür, was der Kreml in der Ukraine will: das russische Fernsehen und Gazprom. Beide tun alles, um die Krise anzuheizen und die Ukraine zu schwächen.

Ein Kommentar von Julian Hans

Inzwischen dauert der Konflikt um die Ukraine lange genug, um gewisse Muster zu erkennen, die sich in jeder neuen Etappe wiederholen. Es beginnt stets mit einer unerwarteten Aggression: Der russische Präsident lässt sich vom Parlament freie Hand für einen Einmarsch in die Ukraine geben. Auf der Krim tauchen anonyme Kämpfer auf. Wladimir Putin verkündet den Anschluss der Krim an Russland. In der Ostukraine besetzen schwer bewaffnete Männer öffentliche Gebäude. Auf ein solches Ereignis folgen stets große Aufregung und ein Durcheinander von Stimmen, die beteuern, dass Wladimir Putin ein gefährlicher Aggressor sei.

In Phase zwei läuft die Abstimmung unter den europäischen Regierungen und zwischen Europa und den USA, indem der neueste Schritt Moskaus verurteilt und beraten wird, wie darauf zu reagieren sei. Experten rechnen aus, was Sanktionen für die eigene Wirtschaft bedeuten würden, und am Ende steht ein neues Ultimatum: Wenn Russland nicht dieses unterlässt oder jenes ermöglicht, machen wir ernst. Die russische Führung schweigt derweil und beobachtet, wie ernst es der Westen meint und wo die Konfliktlinien zwischen den unterschiedlichen Gruppen dort liegen. Weil Demokratien Entscheidungen öffentlich verhandeln, ist das ohne Schwierigkeiten möglich.

Gazproms Exportstopp zeigt: Moskau will der Ukraine schaden

Auf der Grundlage dieser Analysen macht Putin in Phase drei ein Angebot, das auf diese Konfliktlinien und die Ängste im Westen maßgeschneidert ist. Es vermeidet konkrete Zusagen, gibt aber genug Projektionsfläche für Hoffnungen. Dankbar greift der Westen nach diesem Strohhalm, erleichtert, die unbeliebten Strafmaßnahmen nicht umsetzen zu müssen. Die Erklärung der Genfer Konferenz bot so eine Projektionsfläche. Sie forderte die Entwaffnung illegaler Einheiten - worunter Russland, wie sich schnell herausstellte, nur bewaffnete Maidan-Kämpfer verstand. Ebenso die Präsidentenwahl in der Ukraine, die Putin zwar "respektierte", aber nicht ausdrücklich anerkannte.

Seit der neue Präsident im Amt ist und Putin und Petro Poroschenko bei den D-Day-Feiern zu einer Begegnung genötigt wurden, erwecken manche den Anschein, als sei der Konflikt auf dem besten Weg zur Befriedung. Dass zur gleichen Zeit die Kämpfe in der Ostukraine heftiger toben denn je und inzwischen Flugabwehrgeschütze und Panzer aus russischen Beständen im Einsatz sind, wird ausgeblendet.

Dieses Auf und Ab kann sich deshalb immer wieder wiederholen, weil im autoritär regierten Russland Entscheidungen nicht offen verhandelt werden. Jeder neue Versuch, zu erklären, was Putin im Innersten bewegt und was er wirklich vorhat in der Ukraine, lässt ihn nur rätselhafter erscheinen. Dabei gibt es zwei sehr verlässliche Indikatoren, an denen sich die Absichten Moskaus ablesen lassen: das staatliche Fernsehen und Gazprom. Beide tun nichts ohne den Segen des Kreml; und beide tun seit Beginn der Krise alles dafür, dass sich der Konflikt verschlimmert und die Ukraine geschwächt wird.

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Quelle:
SZ vom 17.06.2014
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