Süddeutsche Zeitung

Russland:Neue Freunde braucht das Land

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Putin versucht, beim Russland-Afrika-Gipfel neue Kooperationen aufzubauen. Vom Vorsitzenden der Afrikanischen Union kommen aber auch kritische Einwände zum Thema Ukraine.

Von Silke Bigalke, Moskau

Wladimir Putin hörte sich fast heiser an, als er sich am zweiten Tag seines Afrika-Gipfels an den runden Tisch setzte. Er hatte den Ehrgeiz gehabt, jeden Präsidenten und Premierminister, der aus Afrika nach Sankt Petersburg gereist war, nicht nur auf dem Podium, sondern auch in Einzelgesprächen zu treffen. Schließlich hat der Kremlherrscher seltener als vor dem Krieg Gelegenheit dazu, Staatschefs zu empfangen, schon gleich so viele auf einmal. "Putin fährt nicht nach Afrika, Afrika kommt zu ihm" hatte die staatliche Nachrichtenagentur Ria Nowosti getitelt, ganz so, als sei es Putin bereits gelungen, die Weltordnung nach seinen Wünschen auf dem Kopf zu stellen.

Tatsächlich ist es so, dass Russlands Präsident dem nächsten großen Gipfel - dem Brics-Treffen in Südafrika - notgedrungen fernbleiben muss. Wegen eines Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag drohte ihm dort theoretisch eine Festnahme. Sein Krieg gegen die Ukraine hat aber nicht nur Putins Reisemöglichkeiten eingeschränkt. Sicher hat er auch die Gästeliste in Sankt Petersburg beeinfluss, wohin deutlich weniger Staatschefs kamen als noch zum ersten Russland-Afrika-Gipfel vor vier Jahren.

Mehr als vor Kriegsbeginn braucht Putin politische Partner

Putin blieb dann auch gar nichts anderes übrig, als die Folgen des Krieges anzusprechen, der in Russland "spezielle Militäroperation" heißt. Am runden Tisch wiederholte Putin sein Versprechen, die ukrainischen Getreidelieferungen zu ersetzen, die ja genau deswegen ausbleiben, weil Putin den Frachtschiffen kein freies Geleit mehr aus ukrainischen Häfen garantieren möchte. Er versichert seinen "lieben Freunden", dass Russland immer "ein verantwortungsvoller Lieferant von Agrarprodukten" sein werde - ganz so, als sei es nicht seine Armee, die die ukrainischen Lieferungen angriffe.

Azali Assoumani, dem Präsidenten der Afrikanischen Union, reichte das nicht. Er sprach den Krieg direkt als Grund für die Knappheit an, auch wenn er auf dem Podium neben Putin nur das Wort "Krise" benutzte. Deren Lösung würde "eine große Zahl von Leben retten", sagte er - von Menschen in Afrika, die dringend auf Nahrungsmittellieferungen angewiesen sind. Assoumani appellierte an die Beteiligten, Lieferungen sowohl von russischem als auch von ukrainischem Getreide zu erleichtern. Dann rief zu einer "friedlichen Koexistenz" zwischen Russland und der Ukraine auf.

Am Freitagabend nach dem Treffen sagte Assoumani dann, dass Russlands Zusagen, die afrikanischen Staaten mit Getreide zu versorgen, wichtig seien, aber "vielleicht nicht ganz ausreichend". Er forderte: "Wir brauchen einen Waffenstillstand." Putin habe in diesem Zusammenhang auch eine Bereitschaft zu einem Dialog gezeigt. "Jetzt müssen wir die andere Seite überzeugen", so das Fazit des AU-Präsidenten.

Putin ging es bei dem Gipfel um andere Dinge, um Absatzmärkte, politischen Einfluss, Präsenz auf dem afrikanischen Kontinent. Er sprach davon, neue Botschaften zu öffnen und Schulen, an den in russischer Sprache unterrichtet wird, von russischen Konzernen, die afrikanische Ölfelder entwickeln und neuen Eisenbahnstrecken bauen könnten. Mit Ägyptens Präsidenten sprach er über ein Atomkraftwerk, das mit russischer Hilfe gebaut werden soll, mit Äthiopiens Premierminister über äthiopische Studenten, die in Russland studieren, mit dem Präsident von Uganda über mobile medizinische Labore, die Moskau ihm liefern werde. Mehr als vor Kriegsbeginn braucht Putin politische Partner, gleichzeitig kann er sich der Unterstützung aus Afrika nicht so sicher sein wie einst. Wenn es bei den Vereinten Nationen etwa darum ging, Russlands Krieg oder die Annexion ukrainischer Gebiete zu verdammen, haben die afrikanischen Staaten gemischt gestimmt, viele enthielten sich.

Gleichzeitig wird Afrika wirtschaftlich attraktiver für Putin, seit es durch Sanktionen andere Abnehmer und Transportwege verloren hat. Russland exportiert Weizen und Getreide, Öl und Gas, liegt insgesamt beim Handel mit Afrika aber hinter China und der EU zurück. Es gibt eine Ausnahme: Kein Land verkauft mehr Waffen an afrikanische Abnehmer als Russland. Dazu kommt die militärische Unterstützung, auch durch die Söldnerarmee Wagner. Seit dem Aufstand des Söldnerchefs Jewgenij Prigoschin steht die Zukunft der Gruppe in Frage, was einige afrikanische Regime beunruhigt haben dürfte, die ihre Sicherheit auf Wagner stützen. So lässt sich zumindest teilweise erklären, warum Prigoschin diese Woche anstatt in der Verbannung womöglich in Sankt Petersburg war. Von dort ist ein Foto von ihm und einem afrikanischen Diplomaten aufgetaucht, das echt zu sein scheint.

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